TS 02: 220 Tage im Weltraumschiff
hatte – Hapgoods Kopf im Rachen des Ungeheuers – und sagte unwillkürlich: »Und wenn nun eine Echse …?«
Keiner sprach ein Wort. Im Observatorium trat bedrückende Stille ein. Paitschadse vergaß Kamows Mahnung, bis zum Start liegenzubleiben, und schritt in dem engen Zwischenraum zwischen Pult und Tür langsam auf und ab. Hin und wieder blieb er stehen und schickte einen langen, flehentlichen Blick zur Funkstation, als wolle er den Empfänger zum Sprechen bewegen. Belopolski schaute öfter als nötig auf die Uhr und verriet dadurch sein geheimes Bangen.
»Erwarten Sie mich in zwei Stunden zurück«, hatte Kamow gesagt.
Stunde um Stunde verstrich, doch von Kamow kam kein Lebenszeichen. Belopolski schaltete einige Male das Mikrofon ein. Nichts rührte sich. Nur das gleichmäßig leuchtende Kontrollämpchen zeigte an, daß die Funkanlage des Geländewagens in Betrieb war.
Quälend langsam verging die Zeit. Ich verließ meinen Platz am Fenster nicht einen Augenblick. Die Augen schmerzten, so angestrengt spähte ich in die Richtung, in der der Wagen auftauchen mußte. Die Stunde, zu der Kamow zurück sein wollte, war längst verflossen, aber der Wagen zeigte sich nicht. Die Kontrollampe in der Funkstation brannte zu unserer größten Qual nach wie vor.
Was war los? Wo befand sich Kamow? Warum blieb er dem Wagen so lange fern? Unwillkürlich drängte sich einem die furchtbare Frage auf: Ist er noch am Leben?
Die Zeit verstrich … Ich wagte nicht, auf die Uhr zu sehen. Es ging nur noch um wenige Minuten.
Unablässig klangen mir die Worte Kamows im Ohr: »Das Schiff muß unter allen Umständen pünktlich starten«, worauf Belopolski geantwortet hatte: »Das verspreche ich Ihnen.« Würde sich Konstantin Jewgenjewitsch entschließen können, sein Versprechen zu halten?
Ich wußte, er würde sich dazu entschließen müssen. Die begrenzte Geschwindigkeit des Schiffes machte uns zu Sklaven des Terminplanes. Das Raumschiff mußte zur festgesetzten Zeit den Mars verlassen, wollte man nicht die ganze Expedition dem Untergang preisgeben.
Im Observatorium herrschte tiefe Stille. Jeder verschloß seine Gedanken in sich, keiner wagte, dem andern in die Augen zu sehen, aus Furcht, er könnte in ihnen die eigene unausgesprochene Frage lesen.
Der erste, der es nicht mehr aushielt und das Schweigen brach, war Belopolski. Er sprang plötzlich auf und trat mit schnellen Schritten ans Fenster. Einige Minuten sah er mit seltsam starrem Blick in die Ferne. Große Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn. Er drehte sich um und sagte leise: »Noch zwanzig Minuten!«
Ich zitterte am ganzen Körper. Paitschadse rührte sich nicht. Keiner von uns antwortete.
»Bringen Sie Bason her«, wandte sich Belopolski darauf an mich.
Bason herbringen … Wahrhaftig, ein tröstlicher Ersatz für Kamow!
Zu viert waren wir hier angelangt, und zu viert würden wir auch wieder zur Erde zurückfliegen.
Ich öffnete die Tür zu Basons Kajüte. »Folgen Sie mir!«
»Verläßt das Schiff den Mars?« fragte der Amerikaner.
Ich gab ihm keine Antwort.
»Setzen Sie die Helme auf!« befahl Belopolski in englischer Sprache. Er wollte diese schrecklichen Worte nicht zweimal aussprechen. Der Helm, den er Bason reichte, war, wie ich bemerkte, sein eigener. Den, der Kamow gehörte, behielt er für sich.
So war denn alles zu Ende … Wir flogen fort! …
»Konstantin Jewgenjewitsch!« flüsterte Paitschadse.
Belopolski schaute ihn fragend an, aber Arsen Georgijewitsch sagte weiter kein Wort.
Eine endlos lange Sekunde verging …
»Gut!« meinte Belopolski. »Ich werde noch zwanzig Minuten warten.«
Paitschadse erhob sich plötzlich und sagte laut und vernehmlich: »Der Wagen kann eine Panne haben. Sergej Alexandrowitsch wartet vielleicht auf uns!«
Belopolski wies schweigend auf das rote Lämpchen der Funkstation. Dann sagte er leise: »Die Luft!«
Paitschadses braunes Gesicht wurde aschfahl. Er und auch ich hatten sofort begriffen, was Konstantin Jewgenjewitsch damit meinte. Das Signallämpchen erbrachte den unwiderleglichen Beweis, daß die Funkanlage des Geländewagens funktionierte. Wenn der Empfänger dennoch schwieg, bedeutete es, daß Kamow nicht im Wagen war. Der Sauerstoffvorrat des Behälters, den er beim Verlassen des Fahrzeuges mitgenommen haben mußte, reichte nur für sechs Stunden. Seit dem letzten Gespräch waren bereits fünf Stunden verflossen. Kamow hatte also nur noch für eine knappe Stunde Luft zum Atmen …
»Wir müssen
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