TS 13: Slan
Porgrave-Sender:
„Die Tür ist jetzt offen. Es ist ein extrem enger Tunnel, der durch dichte Dunkelheit hinunterführt. Seine Mündung befindet sich im Zentrum der steinernen Reitergruppe dreißig Meter von hier in nördlicher Richtung. Nur Mut …“
Es war nicht Mut, der ihm fehlte. Es war Zeit. Dreißig Meter nördlich in Richtung des Palastes, in Richtung jener drohenden Forts! Cross lachte kurz auf. Der alte Baumeister, der für diese Geheimpassage verantwortlich zeichnete, hatte sich wirklich einen verteufelt netten Ort ausgesucht, um sein Können zu beweisen. Er schritt weiter, auch als ihm die harte Stimme wieder entgegendröhnte.
„Sie dort draußen … bleiben Sie sofort stehen, sonst schießen wir! Kehren Sie zu Ihrem Distrikt zurück und betrachten Sie sich unter Arrest. Sofort!“
„Ich habe eine sehr wichtige Nachricht!“ rief Cross mit lauter Stimme und versuchte die des Hauptmanns so genau wie möglich nachzuahmen. „Notfall!“
Und noch immer maßen sie einem einzelnen Mann keine Gefahr bei. Er schritt ruhig weiter. Die Antwort scholl zurück.
„Es gibt keinen Notfall, der einen solch unverschämten Verstoß gegen die Verordnungen rechtfertigen würde. Kehren Sie sofort zu Ihrem Distrikt zurück … ich warne Sie zum letzten Male!“
Er starrte hinunter in das kleine schwarze Loch, und lähmende Bestürzung befiel ihn. Er war sich des Gefühls drohender Klaustrophobie bewußt, schwarz und schrecklich wie der Tunnel selbst. Diesem Kaninchenloch sollte er sich anvertrauen und möglicherweise ersticken oder in einer teuflisch angelegten Falle lebendig begraben werden? Es gab keine Gewißheit, daß sie diesen Eingang nicht schon vor langer Zeit entdeckt hatten, wie ihnen auch die anderen Slanverstecke nicht entgangen waren.
Plötzlich gab es keinen Ausweg mehr. Ein Strom fremder Gedanken kam aus dem Wald vor ihm. Jemand sagte: „Sergeant, schießen Sie auf ihn!“
Das brachte den Ausschlag. Die Zähne aufeinandergepreßt, den Körper steif und gerade und die Arme über dem Kopf ausgestreckt, sprang er mit den Füßen voran hinunter und landete so genau in dem Tunnel, daß mehrere Sekunden verstrichen, bevor seine Kleider mit den vertikalen Wänden in Berührung kamen.
Die Wände waren glatt wie Glas, und Cross fiel eine unermeßliche Distanz, bevor sie von der Vertikalen abzuweichen begannen. Der Reibungsdruck wurde stärker und stärker. Nach weiteren Sekunden rasenden Hinuntergleitens war der Neigungswinkel des engen Tunnels fühlbar flacher geworden. Weit voraus erspähte er einen Lichtschimmer. Abrupt erweiterte sich der Tunnel zu einem niederen, matt erleuchteten Korridor. Sein Gleitwinkel war noch immer ein wenig abwärts gerichtet, aber dann flachte er rasch ab. Seine Reise endete. Er lag schwindelnd auf dem Rücken, die Umgebung drehte sich vor seinen Augen.
Nach einem kurzen Moment der Erholung kletterte Cross auf die Füße und erblickte eine Schrifttafel, die an einer Wand des Ganges hing. Sie wurde von der einzigen trüben Lampe matt erhellt.
„Sie befinden sich jetzt drei Kilometer unter der Erdoberfläche. Der Tunnel hinter Ihnen ist von Betonblöcken und Stahlklappen blockiert, die nacheinander durch Ihre Passage aktiviert wurden. Es wird etwa eine Stunde dauern, von hier zum Palast zu gelangen. Es ist Slans bei strengen Strafen verboten, den Palast zu betreten. Nehmen Sie sich in acht.“
Es war eine Welt der Schatten, der Stille und des würgenden Staubes, der nach Cross’ Kehle griff. Er kam durch zahlreiche Türen und Korridore, durch große stattliche Räume und enge Passagen.
Plötzlich vernahm er einen leisen, klickenden, metallischen Laut hinter sich. Er wirbelte herum und sah eine dicke Metallplatte, die langsam von der Decke herunterkam und in den Boden glitt, über den er eben geschritten war. Sie bildete eine glatte, harte Abschlußwand. Er stand unbeweglich und war für einen Augenblick gelähmt. Er erfaßte den langen, schmalen Korridor, der dicht vor ihm endete, die trüben Lampen an der Decke und den Boden unter sich, auf dem ein dicker Staubteppich lag. Ein zweites Klicken tönte laut durch die Grabesstille. Die Wände knirschten metallisch und begannen sich zu bewegen. Langsam und unaufhaltsam rückten sie auf ihn und aufeinander zu.
Automatisch, überlegte er, denn sein suchender Geist vermochte nicht den leisesten Gedankenfetzen festzustellen. Kühl untersuchte er die Falle, und es dauerte nicht lange, bis er am äußersten Ende jeder Seitenwand
Weitere Kostenlose Bücher