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TS 21: Die Überlebenden

TS 21: Die Überlebenden

Titel: TS 21: Die Überlebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. McIntosh
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sein schien – wenigstens für ihren Geschmack. Dann erst sprang sie hinab in den Hof.
    Sie schritt auf mein Fenster zu und blieb dicht davor stehen.
    „Hallo, Mr. Page-Turner“, sagte sie in perfektem Englisch, „ich bin gekommen, Sie zu erpressen.“
    Ich war so überrascht, daß ich laut herauslachte. Aber sie schüttelte ernst ihren Kopf.
    „Das ist absolut kein Scherz“, versicherte sie mir energisch. „Und je eher Sie das begreifen, je eher können wir uns einigen.“
    „Was wollen Sie von mir?“ fragte ich geradeheraus.
    Sie zuckte mit den schmalen Schultern.
    „Verschwenden Sie Ihre Zeit nicht mit unwichtigen Dingen, Mister. Ich kam, um mit Ihnen zu reden. Und ich finde, dieses hier ist die beste Gelegenheit, das zu tun.“
    „Warum?“
    „Beantworten Sie mir eine Frage: wollen Sie nach England?“
    „Wie kommen Sie darauf?“ wollte ich wissen.
    „Wollen Sie – oder wollen Sie nicht?“
    Warum sollte ich es ihr verraten? Wenn sie es weiter erzählte, konnte das für mich gefährlich werden. Schließlich ging es niemanden etwas an, wohin ich zu flüchten gedachte.
    Sie ließ mir nicht viel Zeit zur Überlegung. Sich halb zum Gehen wendend, sagte sie:
    „Also gut! Wenn Sie nicht wollen, kann ich mich ja verabschieden. Good-bye.“
    „Einen Augenblick, Miss!“ hielt ich sie zurück. „Wollen Sie mir nicht wenigstens verraten, warum Sie das wissen wollen? Wenn ich nicht irre, haben Sie mir einen Vorschlag zu machen.“
    „Ganz richtig“, gab sie zu und wandte sich wieder um. „Wenn Sie wirklich nach England wollen und mich mitnehmen, lasse ich Sie hier heraus. Und es wäre gut“, fügte sie kalt hinzu. „Sie würden sich schnell entschließen. Sie haben nur wenig Zeit.“
    Wirklich, ein entschlossenes und von sich selbst sehr überzeugtes Mädchen. Wäre sie nicht so kühl und sachlich gewesen, man hätte sich in sie verlieben können.
    „Roget hat sich zum sogenannten Tatort begeben, mehr als 15 km von hier entfernt. Wir haben Zeit.“
    „Er fuhr mit dem Auto und wird schnell zurück sein.“
    „Wie heißen Sie, Miss? Sind Sie Engländerin?“
    „Ginette Margalet. Und ob ich Engländerin bin oder nicht, dürfte Sie kaum etwas angehen. Haben Sie sich endlich entschlossen? Ja oder nein?“
    „Haben Sie denn Vertrauen zu mir? Ich könnte jetzt zustimmen, und Sie später einfach im Stich lassen.“
    „Ich muß Ihnen vertrauen – was bleibt mir anderes übrig?“
    Ich überlegte einen Augenblick, obwohl ich keine Wahl hatte. Was riskierte ich schon, wenn ich ihren Vorschlag annahm?
    „Also gut“, stimmte ich schließlich bei. „Ich nehme Sie mit.“
    „Und versprechen Sie mir noch eins: Sie werden aus meiner Lage keinen Vorteil zu schlagen versuchen?“
    „Wie meinen Sie das?“ vergewisserte ich mich, obwohl ich genau wußte, was sie meinte. Aber ich hätte gerne gewußt, wie sie sich ausdrücken würde.
    Ich hätte es wissen sollen. Sie sagte es sehr deutlich und in wenigen Sätzen. Ich wehrte entschieden ab.
    „Ich verspreche es!“ beteuerte ich. „Und nun lassen Sie mich ‘raus, bitte!“
    Sie betrachtete mich einige Sekunden, ehe sie sich umwandte und endlich zur Mauer schritt. Gespannt beobachtete ich sie. Mal sehen, wie sie es anstellte, über die Mauer zu gelangen. Allzu lang war ihr Sommerkleidchen gerade nicht.
    Aber sie schien mich vergessen zu haben. Mit einem kleinen Satz sprang sie in die Höhe, ihre Finger umkrallten die rissige Kante der Mauersteine, dann zog sie sich hoch und schwang das rechte Bein auf die andere Seite. Für wenige Augenblicke saß sie so da, schnappte nach Luft. Nach dieser kurzen Verschnaufpause folgte das linke Bein, ohne Rücksicht auf mich, dann war sie verschwunden.
    Irgendwie erinnerte sie mich an meine Schwester Mil, obwohl rein äußerlich fast keine Ähnlichkeit vorhanden schien.
    Falls überhaupt noch jemand auf der Polizeiwache anwesend war, so hatte Ginette es verstanden, ihn fortzulocken, denn ich konnte niemanden sehen. Sie öffnete meine Zelle mit dem Schlüssel, und ich hielt mich nur so lange auf, meine Waffen, Munition, Geld und Papiere aus dem Zimmer des Kommissars zu holen. Allerdings mußte ich dazu einige Schlösser erbrechen. Damit wiederum ergab sich ganz von selbst die Notwendigkeit, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, denn Roget war der Typ, der erbrochene Schreibtischschubladen ernster nimmt, als etwa ein Kapitalverbrechen, das nicht gegen ihn persönlich gerichtet ist. Selbst dann, wenn man mir nun

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