TS 27: Verpflichtet für das Niemandsland
sich nach dieser Ungewißheit, der andere Teil dagegen fürchtete sich davor. In gewisser Weise war es ja eine andere Art von einer Reise ins Niemandsland.
„Vielleicht wäre das Niemandsland letzten Endes gar nicht so übel gewesen“, sagte Alaric zu seinem Vater. „Wenn ich mir einen anderen Namen zulege, dann kann ich ja auch wieder für die Reise ins Niemandsland ausgehoben werden.“
„Verdammt, daran habe ich gar nicht gedacht. Nein, warte, du könntest ja älter als 26 sein.“
„Ich gefalle mir so, wie ich bin“, erklärte Alaric und plusterte sich auf.
„Dann mußt du dich eben verbergen. Ich habe 10 Millionen Dollar ausgegeben, um deine Zukunft zu sichern. Ich möchte nicht, daß du sie zum Fenster hinauswirfst.“
Alaric plusterte sich noch etwas mehr auf. „Laß mich einmal darüber nachdenken!“
„Das will ich dir gerne zugestehen, aber ich möchte deine Entscheidung bis morgen früh. Inzwischen sollst du das Haus nicht verlassen.“
Alaric stimmte zwar zu, benutzte jedoch die erste Gelegenheit, die sich ihm bot, um sich aus dem Dienstboteneingang zu schleichen, in die Stadt zu gehen und sich mit Alkohol vollaufen zu lassen.
Um zwei Uhr früh wurde er von der Polizei wegen Randalierens aufgegriffen, nachdem er in einem Faustkampf gegen einen weit ärmeren und weit einfacheren Betrunkenen in einer Bar in einem der dunklen Stadtteile verloren hatte. Alaric wurde auf dem Polizeirevier verhört, seine Taschen wurden durchsucht, und dann benachrichtigte man seinen Vater.
Rauchend vor Zorn eilte Alaric sen. auf das Polizeirevier, um seinen Sohn abzuholen. Der Wachhabende, ein dicker, fast völlig kahler Mann, kam ihm entgegen.
„Mr. Arkalion?“ erkundigte sich der Wachtmeister und stocherte mit einem Zahnstocher in seinen Zähnen herum.
„Ja, ich komme Alarics, meines Sohnes, wegen.“
„Gewiß, gewiß, aber Ihr Sohn befindet sich in einer schlimmen Lage, Mr. Arkalion, in einer sehr schlimmen Lage.“
„Was wollen Sie denn damit sagen? Wenn irgendwelcher Schaden verursacht worden ist, dann werde ich ihn bezahlen. Er hat doch nicht – irgend jemand verletzt, oder doch?“
Der Wachtmeister lachte. „Er? Nein. Er wurde von einem Betrunkenen, der nur halb so groß wie er war, ordentlich vermöbelt. Das meinte ich nicht, Mr. Arkalion. Sie wissen doch, was eine 1182-Karte ist, Mister?“
Arkalions Gesicht wurde schneeweiß. „Gewiß, ja.“
„Alaric hat eine.“
„Natürlich.“
„Gemäß dieser Karte hätte er auf die Reise ins Niemandsland müssen, Mister. Er ist jedoch nicht mitgeflogen. Er ist in einer sehr ernsten Lage.“
„Ich werde beim Staatsanwalt vorsprechen.“
„Es ist mehr als wahrscheinlich, daß sich der Generalstaatsanwalt mit Ihnen befassen wird. Sehr ernste Lage!“
5. Kapitel
Das einzig Schlimme am Stalin-Treck war, dachte Sophia, daß man monatelang brauchte, um absolut nirgendwohin zu gelangen. Da waren der schmerzhafte Druck, die Bewußtlosigkeit und Beschränkung auf diese enge, kleine Welt von Schlafsälen und blinkenden Metallwänden, das unheimliche Gefühl der Schwerelosigkeit und die Möglichkeit – die einen nach einiger Zeit langweilte – beinahe nach Willen in der Luft herumschweben zu können.
Und dann, wie viele Monate des ewigen Gleichklangs waren eigentlich schon vergangen? Sophia hatte durch das ewige Einerlei jegliches Zeitgefühl verloren. Abgesehen von der anfänglichen, kurzen Anpassungszeit auf seilen ihrer Reisegefährten an die Tatsache, daß sie, obwohl sie eine Frau war und das Leben dieser Männer teilte, dennoch nicht angerührt werden durfte, war die tägliche Routine alles andere als erregend gewesen. Die Anpassungszeit hatte ihre Abenteuer, Ungewißheiten und Herausforderungen gehabt, und fürSophia war sie anregend gewesen. Woher kam es eigentlich, fragte sie sich, daß die starken Männer, die sich leicht bei ihr hätten erzwingen können, was sie suchten, wenn sie zur körperlichen Kraft Zuflucht genommen hätten, gerade diejenigen waren, die ihre private Sphäre nicht verletzten, während die Schwächlinge, die weicheren und kleineren Männer oder aber die Durchschnittsmänner, denen Sophia sich als körperlich ebenbürtig betrachtete, diejenigen waren, die ihr Unannehmlichkeiten bereiteten?
Mit nüchterner Objektivität hatte sie stets ihre Schönheit und die offensichtliche Anziehungskraft, die sie auf Männer ausübte, hingenommen. Sie war mit Sex-Appeal begabt. Es gab in ihrem Leben nicht genügend
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