TS 67: Der Held des Universums
etwas zu trinken und einer Anzahl Vermutungen über den geheimnisvollen Junggesellen am Berg versehen.
„Ich bin sicher, daß er ein Schriftsteller ist“, sagte Martha Weede zu Dudley Heyer. „Daisy sagt, er sei groß und gutaussehend und strahle geradezu Persönlichkeit aus. Vermutlich ist er nur für ein paar Monate hier – gerade lange genug, um uns alle kennen zu lernen, und dann wird er ein Buch über uns schreiben.“
„Hm, ja“, sagte Heyer. Er war Werbefachmann und fuhr jeden Morgen mit dem Vorortzug nach Ney York, wo er in der Madison Avenue tätig war. Er hatte ein Magengeschwür und war sich seiner Rolle als ,Typ’ sehr wohl bewußt. „Ja, dann wird er einen Roman über die vorstädtische Dekadenz schreiben, oder vielleicht auch ein paar beißende Essays für The New Yorker. Ich kenne den Schlag.“
In diesem Augenblick tauchte Daisy Moncrieff mit Davis Hallinan im Schlepptau auf, und die Unterhaltung verstummte abrupt, während alle Gäste ihm entgegenstarrten. Im nächsten Augenblick war die Gruppe sich ihres gemeinsamen faux pas bewußt und begann wieder zu plaudern, während Daisy sich zwischen ihren Gästen bewegte, um ihr Opfer vorzustellen.
„Dudley, das ist Mr. Davis Hallinan. Mr. Hallinan, ich möchte Ihnen Dudley Heyer, einen der talentiertesten Männer von New Brewster, vorstellen.“
„Ja? – Was machen Sie denn, Mr. Heyer?“
„Ich arbeite in der Werbung. Aber lassen Sie sich nichts erzählen – dazu gehört wirklich kein Talent. Nur einfach der Wunsch, das Publikum hinters Licht zu führen. Aber wie steht es mit Ihnen? Was machen Sie denn?“
Mr. Hallinan ging nicht auf die Frage ein. „Ich habe die Werbung immer schon für ein Feld gehalten, das schöpferische Initiative erfordert, Mr. Heyer. Aber ich habe natürlich nie aus eigener Anschauung …“
„Nun, ich schon. Und ich sage Ihnen, es ist verheerend.“ Heyer spürte, wie sein Gesicht sich rötete, als hätte er bereits zuviel getrunken. Er wurde redselig und empfand Hallinans Anwesenheit seltsam beruhigend. Er beugte sich zu ihm herüber und meinte: „Nur zu Ihnen gesagt, Hallinan, ich würde mein ganzes Bankkonto dafür geben, einmal zu Hause bleiben zu dürfen und zu schreiben. Nur schreiben. Ich würde gerne einen Roman schreiben. Aber ich habe nicht den Mumm dazu, das ist das Ärgerliche. Ich weiß, daß am nächsten Ersten wieder ein Scheck über vierzehnhundert Dollar auf meinem Schreibtisch liegt, und ich wage einfach nicht, das aufzugeben. Also schreibe ich meinen Roman nur hier oben im Kopf und ärgere mich.“ Er hielt inne und merkte, daß er zuviel gesagt hatte und daß seine Augen fiebrig glänzten.
Hallinan lächelte gütig. „Es ist immer traurig, ein verborgenes Talent zu sehen, Mr. Heyer. Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Glück.“
In diesem Augenblick tauchte Daisy Moncrieff auf, hakte sich bei Hallinan ein und führte ihn weg. Heyer, wieder alleingelassen, blickte auf den flauschigen Teppich hinunter.
Warum habe ich ihm jetzt alles das gesagt? fragte er sich. Eine Minute nachdem er Hallinans Bekanntschaft gemacht hatte, hatte er seinen größten Kummer auf ihn abgeladen – etwas, das er noch keinem Menschen in ganz New Brewster, nicht einmal seiner Frau, anvertraut hatte.
Und doch – es hatte irgendwie eine @kathartische Wirkung auf ihn gehabt, dachte Heyer. Hallinan hatte seinen ganzen Kummer und seinen inneren Kampf sozusagen in sich aufgesogen, und Heyer fühlte sich jetzt erleichtert und gereinigt.
*
Lys und Leslie Erwin befanden sich wie gewöhnlich an den entgegengesetzten Enden des Saales. Mrs. Moncrieff stieß zuerst auf Lys und stellte ihr Mr. Hallinan vor.
Lys sah ihn an und zog sich impulsiv das Kleid höher. „Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Hallinan. Ich möchte Ihnen gern meinen Mann vorstellen. Leslie! Würdest du ‘mal herkommen, bitte?“
Leslie Erwin kam näher. Er war zwanzig Jahre älter als seine Frau und Träger der schönsten Hörner in ganz New Brewster, wie allgemein bekannt war – ein Gehörn übrigens, das beinahe jede Woche ein paar neue Spitzen bekam.
„Les, das ist Mr. Hallinan. Mr. Hallinan, ich darf Ihnen meinen Mann vorstellen.“
Mr. Hallinan verbeugte sich höflich vor beiden. „Sehr erfreut.“
„Ebenfalls“, nickte Erwin. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden …“
„Das Ekel“, sagte Lys Erwin, als ihr Ehegespons sich an seinen Platz an der Bar zurückgezogen hatte. „Ich glaube, er würde sich
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