TS 96: Menschen auf fremden Sternen
schwachen Licht erkannte er ein altmodisches Gewehr in den Händen der Frau. Sie hielt die Waffe auf ihn gerichtet und den Zeigefinger am Abzug.
„Ich kann Sie nicht am Leben lassen, Wade, das müssen Sie einsehen. Ich will Sie aber nicht umbringen, ohne Sie zu Wort kommen zu lassen.“
Wade saß in der Falle. Das Gefühl des Versagens war nicht angenehm. Draußen im Korral schnaubten die Pferde.
Wade riß sich zusammen. Er mußte scharf nachdenken, sonst war er verloren. Sein Gehirn war jetzt seine einzige Waffe. Er fühlte sich im Augenblick aber stumpf und hilflos.
„Erzählen Sie, Wade! Was wissen Sie über Daniel Hughes?“
„Er war ein verbitterter Mann, obwohl er es nicht zeigte. Er paßte nicht in seine Welt, weil er sich nach Anerkennung und Ruhm sehnte. Seine Fähigkeiten reichten aber nicht aus, um sein Ego zu befriedigen.“
Wade wollte den anderen Mann verletzen, ihn reizen und ihn dadurch zu einer Unvorsichtigkeit verleiten.
Er setzte sich und überlegte fieberhaft. Mit kleinen Mätzchen wie Rauchpillen konnte er in dieser Situation nichts anfangen, denn sein Gegenspieler ließ sich dadurch nicht erschrecken.
„Sie sind ein Mörder, Dan, der größte Mörder aller Zeiten. Sie benötigen die Hilfe eines Psychiaters.“
Hughes’ Augen wurden hart. Er war natürlich ganz normal. Es kam ihm aber darauf an, diese Tatsache zu beweisen.
„Warum bin ich ein Mörder, Mr. Dryden?“
„Das liegt doch auf der Hand. Wenn die Pferde von diesen Leuten hier als Haustiere akzeptiert werden, muß unsere Zivilisation, die Zivilisation des Jahres 2080, unmöglich werden. Amerika wird ein Land der Indianer werden. Alles wird sich ändern. Wenn Sie Ihren hirnverbrannten Plan durchführen, töten Sie ganze Generationen!“
„Sie reden Unsinn“, antwortete Hughes kühl. „Ist Ihnen nicht aufgefallen, daß Sie ebenfalls ein Mörder sind? Die Pferde sind hier. Wenn Sie die Tiere töten, nehmen Sie den Azteken ihre einzige Verteidigungsmöglichkeit. Sie wissen, daß Cortez durchaus kein Heiliger war. Er wird kommen, um dieses Land zu unterwerfen. Er kann es nur schaffen, weil er Pferde hat. Wenn die Azteken ebenfalls Pferde zur Verfügung haben, können sie sich verteidigen. Sie werden sogar in der Überzahl sein und Cortez ins Meer zurückjagen.“
„Sie tun es tatsächlich mit vollem Bewußtsein?“
„Sie übersehen einen wichtigen Punkt, Wade. Wenn Sie diese Entwicklung verhindern, vernichten Sie die zukünftigen Generationen der Azteken. Ethische Momente spielen also keine Rolle, Wade. Hier steht ein Zweig der Entwicklung gegen den anderen.“
„Sie können mich nicht verwirren, Hughes“, entgegnete Wade ruhig. „Sie wollen sich als Gott aufspielen und die Welt verändern. Unsere Welt existiert, das können Sie nicht bestreiten.“
„Ich kann ihr aber jetzt die Wurzeln abschneiden. Sie handeln doch nur aus Egoismus, Wade.“
„Es geht nicht darum, wer besser ist. Wir sind da. Es ist unser gutes Recht, unser Leben zu verteidigen. Wenn Sie jetzt den Lauf der Geschichte willkürlich verändern, machen Sie unsere Existenz unmöglich. Halten Sie die Azteken für besser? Glauben Sie, dieser Zweig der Entwicklung könnte besser sein?“
Hughes schüttelte den Köpf.
„Sie müssen doch einen Grund haben.“
„Ich habe einen Grund. Ich liebe dieses Indianermädchen dort. Ich glaube nicht, daß Sie das verstehen können.“
„Das ist es also!“ entfuhr es Wade. Er drehte sich um und betrachtete das Mädchen. „Ihretwegen wollen Sie unsere Zukunft opfern?“
Warum eigentlich nicht? Wade blieb auch in dieser Lage ein kühler Denker. Er verstand Hughes sehr gut. Dan Hughes hatte sich während einer seiner früheren Zeitreisen in dieses Mädchen verliebt. Er konnte sie nicht in die Zukunft mitnehmen, das war klar. Er wollte wohl auch nicht in einer Zeit leben, in der er nur ein Durchschnittstyp war.
„Ich verstehe das“, sagte er. „Aber was sollen die Pferde? Sie können doch bei dem Mädchen bleiben. Wenn Cortez landet, werden Sie nicht mehr leben. Ich werde dafür sorgen, daß man Sie in Ruhe läßt. Sie müssen aber zu Gegenleistungen bereit sein.“
„Haben Sie jemals geliebt, Wade?“
Wade antwortete nicht.
„Dieses Mädchen wird mein Leben teilen, Wade. Soll ich Kinder in eine Welt setzen, wenn ich das Ende dieser Welt kenne? Könnte ich unter solchen Umständen glücklich sein? Meine Kinder sollen eine Zukunft haben, allein darauf kommt es mir an. Kann das böse
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