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TS 96: Menschen auf fremden Sternen

TS 96: Menschen auf fremden Sternen

Titel: TS 96: Menschen auf fremden Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chad Oliver
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Ziel. Er drang tief in Wades rechte Schulter und warf ihn fast vom Pferd. Wade Dryden riß den Speer aus der Wunde und schleuderte ihn von sich.
    Zehn Minuten später war er auf der offenen Landstraße und ritt nach Coyoacan weiter.
    Er erreichte die Stadt erst nach Einbruch der Dunkelheit. Die schlechten Nachrichtenverbindungen retteten ihn, denn in der Stadt wußte noch keiner etwas von den Geschehnissen. Wade war erschöpft, und diese Tatsache erschwerte das Suchen der Kammer. Er erkannte die Baumgruppe und ritt zu der Stelle. Kraftlos rutschte er vom Rücken des Pferdes, klopfte dankbar die zitternden Flanken und kroch in die Kammer. Er konnte gerade noch die Tür verriegeln und den Hebel umlegen. Der Blutverlust machte sich bemerkbar; Wade verlor das Bewußtsein.
     
    *
     
    Wade Dryden mußte lange Zeit in einem Krankenhaus liegen. Eines Tages erschien Chamisso und setzte sich auf den Bettrand.
    „Er hatte einen Sicherheitsbeamten bestochen und die Pferde aus dem neunzehnten Jahrhundert mitgenommen. Er mußte sein Leben lang gespart haben, um die Summe aufzubringen.“
    Wade hörte Chamissos Worte wie aus weiter Ferne.
    „Du kannst dich jetzt ausruhen, Wade. Die Pferde sind alle umgebracht worden. Die Azteken hielten sie für Dämonen. Jetzt ist alles wieder im Lot.“
    „Was ist aus Dan geworden?“ fragte Wade.
    „Kannst du es dir nicht denken?“
    Wade konnte sich alles genau vorstellen, denn die Vergangenheit war ein Teil seines Lebens geworden. Er kannte die Strafe, die die Priester über Verbrecher verhängten. In seiner Vorstellung blitzte ein Messer aus Obsidian auf. Er sah die abgeflachte Spitze einer Pyramide, den Priester mit dem Messer in der einen Hand und ein noch zuckendes Herz in der anderen.
    „Es war notwendig“, sagte Chamisso. „Vergiß es.“

 
Das neue System
    (THE MOTHER OF NECESSITY)
     
    „Es ist kein Spaß, der Sohn eines berühmten Mannes zu sein“, sagte der junge Mann zu dem älteren Historiker und trank sein Bier aus. „Mein Vater hat mich immer gut behandelt, bis sie ihn zu einem berühmten Mann machten. Dauernd sind Leute hinter mir her und fragen mich aus. Ich schätze meinen Vater und sehe den Menschen. Wenn ich aber von ihm wie von einem ganz normalen Menschen spreche, betrachten es die Leute als eine Beleidigung. Aus diesem Grunde habe ich es aufgegeben, die Wahrheit zu sagen. Ich sage, was die Leute hören wollen und mache mich so schnell wie möglich davon. Sie wollen aber Tatsachen hören, keine Schmeicheleien, deshalb will ich Ihnen alles sagen. Aber Sie müssen wissen, daß mein Vater ein ganz gewöhnlicher Mensch war und absolut kein Heiliger werden wollte. Sie müssen ihn so sehen, wie ich ihn beschreibe.
    Es fing an dem Tag an, der heute Friedensmontag genannt wird. Ich war damals noch ein Kind, aber ich erinnere mich daran, als wäre es erst gestern gewesen. Jener feuchte Montag war typisch für das Jahr 2056, regnerisch, stürmisch und unfreundlich. Jeder war froh, wenn er sich in einem warmen Raum aufhalten konnte.“
     
    *
     
    Er lag ausgestreckt in seiner Hängematte. Er war nicht dick, aber recht gut genährt; sein schon ergrauendes Haar hing wirr über die Schläfen. Sein Blick konzentrierte sich auf einen an der Wand hängenden Wahlspruch:
    ES IST NIE ZU SPÄT, DIE DINGE ZU ÄNDERN.
    Lois, seine Frau, kannte die Anzeichen und lief auf Zehenspitzen durch die Wohnung. Sie war froh, daß Bobby in seinem Zimmer blieb und sich ruhig verhielt.
    „Wir sind auf dem Nullpunkt“, brummte George und drehte sich schwerfällig auf die andere Seite.
    „Wie soll ich das verstehen, George?“
    „Ach, laß mich in Ruhe!“ sagte er brummig. „Ich denke nach.“
    „Mach’ dir keine Sorgen“, sagte sie fast gegen ihren Willen.
    „Wir müssen ein neues System finden“, murmelte George. „Nichts ist so langweilig wie dauernder, regelmäßiger Wechsel.“
    „Vielleicht ist das die Antwort“, sagte Lois hoffnungsvoll. „Denke dir einen Plan aus, der die Leute wieder zu alten Traditionen zurückführt und sie Wurzeln schlagen läßt.“
    „Unsinn! Lloyd hat es im vergangenen Jahr in Miami versucht. Das Ergebnis war miserabel. Was soll ich nur machen? Ich zermartere mir das Gehirn, aber mir fällt nichts Neues ein.“
    „Früher hast du immer gesagt, es sei genau wie in der Literatur.“
    George schwang sich aus der Hängematte und setzte sich an den Schreibtisch. Seine Frau hatte ihn auf einen Gedanken gebracht.
     
    *
     
    Eine Woche später regnete es

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