TS 98: Friedhof der Roboter
22.34 Uhr war.
Vernon Bass gähnte, verfluchte die gesamte Familie Atkins samt ihrem Fernsehgerät und versuchte, wieder in den Schlaf zu kommen. Wer sich schon einmal darüber geärgert hat, daß er nicht einschlafen kann, der weiß, daß gerade das besonders zum Wachbleiben beiträgt. Bei Mr. Bass kam noch etwas anderes hinzu.
Nach einer halben Stunde richtete Bass sich im Bett auf, knipste die Stehlampe an und fingerte eine Zigarette aus der Schachtel. Er zündete sie jedoch nicht an, sondern erhob sich ganz und, die kalte Zigarette zwischen den Lippen, trat er ans Fenster.
Warme, schwüle Luft schlug ihm entgegen, als er es öffnete. Dazu gesellte sich das eintönige Rauschen eines Landregens. Unwillkürlich zuckte Vernon Bass zurück, als einige Spritzer von der Scheibe abprallten und sein Gesicht trafen. Dann lachte er nervös. Er wollte sich jetzt die Zigarette anbrennen, doch mitten in der Bewegung hielt er inne. Das Feuerzeug schnappte wieder zu, die Zigarette fiel auf den Boden.
Vernon Bass begann sich, wie geistesabwesend, anzukleiden. Über die Badehose, die er in den schwülen Sommernächten im Bett trug, zog er ein gestreiftes Sporthemd und eine dünne, leichte Sommerhose. Aus dem alten Schrank der Abstellkammer holte er die verschnürte Zeltplane hervor, klemmte sie sich unter den Arm und stieg die Treppe hinab in die Garage.
Er öffnete verschlafen das Tor, kletterte in seinen Morris und startete. Die Zeltplane warf er achtlos auf die hintere Sitzbank. Mit schnurrendem Motor rollte er sodann auf die Straße, fuhr zuerst geradeaus und bog danach bei der nächsten Ampel nach rechts ab. Bald hatte er die Wohngegend hinter sich gelassen. Zur Rechten erstreckte sich jetzt eine Reihe halbverfallener, düsterer Häuser und zur Linken lagen, wie schwarze Schemen hingeduckt, die Lagerschuppen einer Firma, die offenbar keine Verwendung mehr dafür besaß, denn nie hatte Bass in dieser Gegend einen haltenden Lieferwagen gesehen.
Aber darüber dachte er jetzt nicht weiter nach.
Vernon Bass fuhr bis zum Ende der Straße, wendete in einem gepflasterten Feldweg und fuhr zurück. Am achten Schuppen hielt er an. Eine Weile saß er unschlüssig in seinem Wagen, als wisse er nicht, was nun zu tun sei. Nun, er wußte es in der Tat nicht! Doch das hinderte Bass nicht daran, auszusteigen und auf die halboffene Tür des Schuppens zuzugehen. Er schien den herniederströmenden Regen nicht zu spüren. Die Tür quietschte erbärmlich in den Angeln, als er sie vollends aufstieß.
Er schaltete die Taschenlampe an – und starrte auf einen feuchten Fleck, der sich auf dem rissigen Betonboden ausbreitete, als habe hier vor kurzem noch ein nasser Gegenstand gelegen, ein runder, nasser Gegenstand.
Für einige Sekunden stand Vernon Bass starr. Seine Augen weiteten sich in einem Entsetzen, das in erster Linie seiner grenzenlosen Verblüffung entsprang.
Lag er nicht in seinem Bett und schlief?
Vernon Bass wußte, daß man träumen und es wissen konnte. Träumte er also und wurde sich dessen jetzt bewußt?
Vernon Bass wandte sich heftig um. Dabei stieß er mit dem Ellenbogen gegen den morschen Türpfosten. Aber so morsch war der Pfosten nun auch wieder nicht, daß er nachgegeben hätte. Bass bekam es zu spüren. Doch bevor er das als Zeichen dafür auslegen konnte, daß er tatsächlich wach sei, gewann das in ihm, das der Schreck in Sekunden gelähmt hatte, wieder die Oberhand.
Mit seltsam steifen Schritten ging Vernon Bass zu seinem Wagen zurück.
*
Professor Bart Eberlein hob den Kopf vom Mikroskop und massierte seine Augäpfel.
Er wußte, daß er seine Augen wieder einmal überanstrengt hatte. Aber Professor Eberlein war einer der Leute, die glaubten, ihre kurze Lebensspanne nur ausnützen zu können, wenn sie ihren Schlaf verkürzten. Auf diese Art und Weise hatte Eberlein es zu einigem Ansehen gebracht – und zu einigen wichtigen Entdeckungen auf dem Gebiete der Biochemie.
Eben wollte er sich wieder über seine Arbeit beugen, um die Versuchsreihe noch zu Ende zu untersuchen, da klopfte es zaghaft an der Tür.
Eberlein fuhr hoch, blinzelte, sah auf die Uhr und von dort ungläubig zur Stahltür des Kellerlabors. Er konnte sich nicht denken, wer ihn zu so später Stunde noch stören sollte. Emilia würde es kaum sein; seine Frau hatte im Laufe der Jahre gelernt, daß er bei seiner wissenschaftlichen Arbeit keine Störung vertrug, und Sandy Brom, der Hausmeister, der aus reiner, wenn auch laienhafter
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