Tuch und Tod (Ein Berringer-Krimi) (German Edition)
Berringer ein Grund gewesen, niemals an diesem Ort zu arbeiten.
„ Hallo, Berry“, grüßte sie und schenkte ihm ein freundliches Lächeln.
„ 'n Morgen.“
„ Ich nehme an, du willst wissen, ob unsere Untersuchungen die ersten, am Tatort gewonnenen Ergebnisse unterstützen.“
„ Ja.“
„ Die Todesursache im Fall Frank Severin war tatsächlich der Schlag gegen die Kehle, und dieser Schlag ist von einer relativ kleinen Person geführt worden. Das lässt sich ziemlich sicher sagen.“
„ Also einer Frau!“
„ Nein, auch ein Mann, der nicht gerade eine Basketballerstatur hat, kommt in Frage. Der Täter oder die Täterin war um die ein Meter siebzig.“
„ Hat ein Kampf stattgefunden?“
„ Kann ich nicht sagen, aber wir haben keinerlei DNA-Spuren finden können, etwa Hautreste unter den Fingernägeln oder so. Der Angriff muss sehr plötzlich und heftig erfolgt sein.“
„ Glaubst du, dass Täter und Opfer sich kannten und Severin den Angreifer deshalb so dicht an sich heran ließ?“
„ Eine plausible Theorie, die natürlich für Frau Gerath als Täterin deutet.“
„ Ich sehe, du hast dich eingehend mit dem Fall auseinandergesetzt“, erkannte Berringer an.
„ Ich hatte ein langes Telefonat mit deinem ehemaligen Kollegen Dietrich, der mich übrigens auch davor gewarnt hat, dir mehr Auskünfte zu geben, als dir von Gesetzes wegen zustehen.“
Berringer lächelte. „Also gar nichts.“
„ Deine Kombinationsgabe ist beachtlich.“
„ Liegt am Job“, behauptete er. „Und warum redest du dann überhaupt mit mir?“
„ Weil ich mich freue, dich wiederzusehen.“ Sie lächelte ihn an. „Ist die reine Wahrheit. Gib’s zu, so wichtig sind die Einzelheiten im Fall Severin nun auch nicht. Normalerweise hättest du jetzt deine hoffentlich vorhandenen Ermittlungsansätze weiterverfolgt. Aber ich nehme an, stattdessen willst du mit mir einen Kaffee trinken.“
„ Ich dachte, das Angebot gilt noch.“
„ Tut es auch.“
„ Wann und wo?“
„ Ich hätte jetzt gleich Mittagspause. Das würde sich doch gut treffen, zumal hier gleich um die Ecke ein Bistro ist, wo man auch was zwischen die Zähne bekommen kann.“
„ Ich habe gehört, was mit deiner Familie geschehen ist“, sagte Wiebke Brönstrup, als sie in dem Bistro saßen und Berringer das vor ihm auf dem Teller liegende Sandwich zu Prüfzwecken aufklappte. Er trank erst einmal einen Schluck von seinem Kaffee. „Das muss ein schlimmer Schlag gewesen sein.“
„ Ja.“
Ein knapperes Ja konnte man sich kaum vorstellen, und es war für Wiebke Brönstrup ein deutliches Signal dafür, dass er über das Thema sprechen wollte.
Berringer wandte sich wieder dem Sandwich zu und nahm die Tomate herunter, legte sie an den Rand und blickte auf. „Du hattest offenbar auch ein ganz interessantes Leben in den letzten Jahren.“
„ Es geht …“
Aber es war interessant genug gewesen, um ihm davon ausführlich zu erzählen. Sie begann mit den Jahren in Chicago, und es kam Berringer vor, als wäre bei ihr ein Damm gebrochen, denn sie redete wie ein Wasserfall, und Berringer war froh, dass er - abgesehen von kleinen Äußerungen aktiven Zuhörens - nichts zum Gespräch beitragen musste. Er sagte einmal „Hm“ und mehrere Male „Ja!“ beziehungsweise ab und zu auch „Ja?“.
Solche Gespräche waren wie ein Kaminfeuer, fand Berringer. Man musste nur ab und zu etwas Luft hineinblasen, dann brannte es munter weiter. Früher, als sie ein Paar gewesen waren, hatte sie ihm oft vorgeworfen, sich nicht richtig einzubringen. Das schien sie nicht mehr zu stören.
Nach einer Weile sah Wiebke auf die Uhr. „Ich hab mich richtig verquatscht. Eigentlich müsste ich schon wieder das Seziermesser schwingen.“
„ Tut mir leid.“
„ Aber vielleicht setzen wir das ja bald mal fort.“
„ Nichts dagegen.“
„ War schön, sich mit dir zu unterhalten.“
„ Ja, es ist ja inzwischen auch viel Zeit vergangen. Da hat man dann genug Gesprächsstoff.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube, du bist einfach kommunikativer geworden. Komisch, ich hatte dich immer als maulfaul in Erinnerung …“
Berringer lächelte milde. Seit sie in diesem Bistro saßen, hatte er kaum einen ganzen Satz gesprochen. „Wahrscheinlich bist du einfach nur nicht mehr so anspruchsvoll“, meinte er, „was auch kein Wunder ist.“
„ Wieso?“
„ Na, wenn sich jemand über Jahre hinweg überwiegend mit Toten unterhält, ist er ja vielleicht daran
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