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Tuermer - Roman

Tuermer - Roman

Titel: Tuermer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Danz
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Wand. Was spielte ihr Geist mit ihnen? Wie verfügte sie und wie wurde sie unterworfen? Der Tisch, das Schlagen auf den Tisch, das Knarren der Dielen. Jeden konnte sie ernennen, über sie zu triumphieren oder ihr zu unterliegen. Jedes Blatt auf der Spitze der Qual oder der Lust wenden. Regimenter von Rosenkohlköpfen, Schlachtfelder übersät mit Kartoffelschalen, in exaltierten Windungen ineinander schraffiert. Das Fleisch klopfen, das Fleisch heilen in einem Mantel aus Mehl und geschlagenem Ei. Das Wasser: wie es durch die Finger rinnt, das Waschbrett: wie es die Fingergelenke blutig reibt, das Stecknadelpolster. Der Mann, der in das Haus Ecke Talamtstraße hineingeht. Das Licht, das im dritten Stock angeht. Das Interieur einer Puppenstube mit winzigen Menschen. Mutter fror nicht und hatte keinen Hunger. Ihr einziger Wunsch war der nach einem Stück Erde für ein paar Kräuter. Jetzt wußte ich, warum sie ihn nicht einfach erfüllte mit einer Bretterkiste, in die sie ebensogut etwas pflanzen könnte: es war ihre letzte Ahnung von unverfügbarer Wirklichkeit.
Geld
    Vater fluchte, wenn er Hunger hatte, und fluchte, wenn er fror. Seine Weltsicht verbot ihm allerdings, einzusehen, daß diese Umstände allein am fehlenden Geld hingen. Er hätte nicht abgestritten, daß es einen Zusammenhang gab, aber darüber hinaus, meinte er, müsse es noch einen anderen Grund geben, warum sein Leben so und nicht anders eingerichtet sei. Wenn es nur eine Frage des Geldes wäre, woher nähme dann ein Mensch das Recht, seinen Platz in der Welt zu behaupten? Er könnte an jeden beliebigen durch Leistung aufsteigen oder durch mangelnde Leistung absinken. Vater war ein symmetrisch denkender Mensch. Sein Leben war erfüllt von dem Gedanken an Entsprechungen, die er auf die verschiedensten Weisen aufzuspüren versuchte. Man müßte nur, sagte er einmal, die scheinbar komplexen Vorgänge auf einfache geometrische Figuren zurückführen. Dann würde man sehen, daß jede neue Begebenheit durch nichts anderes als Verschiebung, Spiegelung und Drehung aus der vorhergehenden entstanden sei. Ich weiß nicht, ob es ihm ernst damit war. Er verwirrte mich gern mit Konstruktionen. Oder er tat es, um sich zu verwirren. Mit immer neuen Konstruktionen, die allesamt so lange hielten, bis sein Weltgebäude zu schwanken drohte. Dann hatte er ein neues Muster parat, so daß es nie eine wirkliche Erschütterung gab. Aber sein Muster paßte nur sehr zufällig auf die Welt, meist paßte es nicht. Mit der Beruhigung eines gläubigen Menschen hätte er leben können, aber Vater glaubte an nichts. Seine ganze innere Ordnung hatte er um eine Leerstelle errichtet. Was sollte er sonst zum Mittelpunkt machen? Es gab nichts, diese Stelle blieb leer und war der Abgrund, um den er schlich. Der ihn, bei aller Stabilität seines Weltbildes, reizbar und morastig machte. So entstand Vaters Maßlosigkeit und Haltlosigkeit, die Verstiegenheit und die Angst, wenn sein Blick an etwas zu lange haftenblieb, sich festfraß und den Gegenstand zerrieb. Bis er zusammenrieselte auf ein Häufchen Staub. Vater saß, die Hände auf dem Tisch schützend um etwas Unsichtbares gelegt, fast wie im Gebet wiegte er den Oberkörper langsam nach vorn und hinten. Das erste Mal, hatte Mutter mir an einem Abend gesagt, habe sie das gesehen in der Thomasnacht vor fünf Jahren, als der dicht fallende Schnee den Ofenrauch wieder ins Zimmer hineindrückte. Es nützt doch nichts, wenn einer sich auch müht, es nützt trotzdem nichts. Was nützt nichts? fragte ich sie. Sie sah betreten zur Seite, das habe sie ihn nicht gefragt, sie habe gedacht das Heizen. Nein, fügt sie leise hinzu, das habe sie eigentlich nicht gedacht. Früher, Jan, habe ich ihn immer verstanden, ich brauchte nie zu fragen, was er meinte. Weißt du, wenn ich jetzt fragen würde, dann hieße das, daß es vorbei ist. Hilflos stand sie da, sie tat mir wieder leid, und ich legte die Hand auf ihre Schulter: Vielleicht liegt es ja nicht an dir, daß du ihn nicht mehr verstehst, ich verstehe ihn auch oft nicht. Meinst du, Jan, sie richtete sich auf, strich ihre Schürze glatt: Was hältst du denn von den Sanduhren? In ihrer Frage lag zuviel Banges, als daß ich mit der Antwort lange zögern durfte. Aber es lag auch etwas Gebietendes darin, nicht zu sagen, was ich wirklich dachte, wenn es nicht fürsprechend war. Und Bittendes war in der Frage, das um Jahre zu spät kam. Man kann es ja probieren, sagte ich, ohne auf die Not ihrer Frage

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