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Tuermer - Roman

Tuermer - Roman

Titel: Tuermer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Danz
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und ich sah, daß er es gemerkt hatte. Er stützte seinen Arm an den Balken über meiner Schulter, und ich spürte die leichte Berührung seines Hemdes. Das denkt man nur, wenn man hier nicht lebt, sagte ich. Wenn man weiß, daß man die Stufen, die man hinaufsteigt, gleich wieder hinuntersteigen wird. Wenn man alles unten läßt, was man nicht mit hochschleppen will. Aber ich mußte alles mit hier hoch nehmen. Ich habe da unten nichts mehr, das auf mich wartet. Gar nichts? fragte er. Ich wollte ihn fragen: Du, wartest du da unten auf mich? Ich tat es nicht, aus Angst vor seiner Antwort. Ich erzählte statt dessen von Echo. Ich bin auch gar nicht allein hier, sagte ich. Hier ist eine, die Echo heißt. Er sah mich ungläubig an: Hier ist eine mit dir? Nein, sagte ich, nicht so … es ist anders. Ich merkte, daß es schwierig werden würde, ihm davon zu erzählen. Ich merkte, wie wenig ich selbst verstand, daß es eine Echo hier oben gab. Sie ist kein Mädchen, sie ist … ich überlegte. Eine Nymphe natürlich, unterbrach er mich spöttisch, Jan, entschuldige, das behalt mal für dich. Ich wollte dir nur sagen, daß ich das Messer verloren habe. Ich habe aber schon ein neues, ein leichtgängiges. Er nahm seine Hand von dem Balken, er tat es so, daß er mich dabei nicht streifte. Das Licht kam mir mit einemmal fahl vor. Ich wischte mit der Hand über den Staub, er fiel grau nach unten. Köppen stand auf. Ich muß wieder. Ja, war schön, daß du mich besucht hast, du kannst jederzeit hier hochkommen. Mal sehn, sagte er und ging ohne sich umzudrehen zum Ausgang. Ich kletterte auch hinunter, lief zu einer der Luken und sah, wie er unten aus der Tür trat und mit einer Ameisenbewegung noch einmal zum Dach hochsah. Er ging die Straße hinunter. Ich fragte mich, ob er gekommen war, um mir zu sagen, daß er das Messer verloren hatte. Unser Messer.
Mutter
    Vater malte in diesem Herbst noch viele und schlechte Bilder mit Bäumen. Schließlich hörte er ganz auf. Er saß, sah hinunter auf die Stadt und sagte: Bäume beschäftigten die Kunstmaler vor zweihundertvierundsechzig Jahren. Sieh dir das an, da hinten ein ganzer Wald. Hier unter uns lächerliche Hinterhofarboreszenz. So oder so – was ist ein Baum?
    Er fing etwas anderes an. Was ist ein Tag? Er hatte auf dem Dachboden mehrere Sanduhren gefunden, über die er erfuhr, daß einer seiner Vorgänger sich mit dem Herstellen dieser Uhren ein bescheidenes Zubrot verdient hatte. Vater dachte nach. Er sagte, man brauche Wirklichkeitssinn, wenn man in dieser Zeit den Kopf über Wasser behalten wolle. Doch sein Wirklichkeitssinn war mir vertraut, er gründete sich auf Gedankenspiele und hatte mit der Wirklichkeit nichts zu tun.
    Nach einer Woche rückte Vater heraus. Er rechnete vor, wieviel er mit dem Bau von Sanduhren zu verdienen beabsichtigte. Wieviel an einer, wieviel am Tag, in der Woche, im Jahr und in Zeiträumen, die er gar nicht mehr erleben würde.
    Auch Mutter hatte sich auf ihre Weise mit Vaters Wirklichkeitssinn eingerichtet. Sie wollte hoffen auf einen Mann, der wach und zäh war. Sie unterdrückte ihr Mißtrauen und begeisterte sich. Das von Vater ausgedachte Geld rechnete sie in Lebensmittel, Brennholz und Kleidung um. Vielleicht war aber auch das nur eine Robinsonade der Resignation, ganz ähnlich der meines Vaters. Denn was gingen Mutter das Essen und die Wärme an. Sie hatte sich, obwohl sie für uns sorgte, aus diesen Bereichen zurückgezogen. Sie aß selbst am wenigsten und stets lustlos. Sie hatte etwas gefunden, woran sie sich wärmte, wenn das Brennholz aus war. Ich konnte nur ahnen, was es war, aber ich verstand jetzt Vaters Eifersucht, die ich immer verstiegen fand, da Mutter den Turm fast nie verließ. Und da er, wenn sie es einmal tat, ihre Schritte in den Laden an der Ecke Talamtstraße genau beobachten konnte. Jetzt wußte ich, es gab einen Grund für seine Eifersucht. Mutter mußte es mit großer Kraft geschafft haben, die Wirklichkeit in ihrem Geist so zu verwandeln, daß sie despotisch über sie verfügen und sich gleichzeitig von ihr hintergangen fühlen konnte. Ein Spiel, in dem sie nie allein war. Der Gedanke an die Küche, den einzigen Raum, in dem sie sich aufhielt, durch den jeder hindurchgehen konnte, in dem sie fast nie allein war, machte mich jetzt auch eifersüchtig. Was mochte dieser Raum in ihrer Welt bedeuten: die Einweckgläser, das Knistern der trocknenden Eierschalen in der Ofenröhre, die Schubladen für Mehl und Zucker an der

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