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Tuermer - Roman

Tuermer - Roman

Titel: Tuermer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Danz
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Bildern zu denken, aber sein Bild des Gewitters schien ihn selbst so überzeugt zu haben, daß er vergaß, daß der Turm ja einen Blitzableiter besaß. Vor allem hatte ihn sein Gedanke jetzt so nachdenklich gemacht, wie ich ihn selten gesehen habe. Sieh es mal so, sagte ich zu ihm: wenn man es heranziehen sieht, dein Gewitter, dann kann einer das beruhigend finden, weil er sich darauf gefaßt machen kann, oder beunruhigend, weil er so lange darüber nachdenkt, bis er Angst bekommt. Und, wie ist es bei dir? fragte er gespannt. Ich sehe es lieber heranziehen. Aber ich habe mich auch nicht entschieden, Türmer zu sein, das hat mein Vater entschieden, frag ihn, wenn du es wissen willst. Und im Weitergehen fügte ich hinzu: Falls er dir eine Antwort gibt, mußt du sie mir unbedingt sagen, ich würd’s auch gern wissen.
Schatten
    Die Sonne spielt Streifen auf mich: Licht, Schatten, Licht. Nein, sagt Echo, so geht das nicht. Man kann so nicht leben. So weit oben. So allein. Nein, denke ich, es gibt keine Sommer-Echo. Ich blase in den Staub und muß husten. Ich notiere in meinem Kopf: zweite Spalte. Unterhaltungen mit einer Echo, die es nicht gibt, gehören in die zweite Spalte: Dinge, die man trotzdem nicht allein tun kann. Ich kehre also zur Suche des längsten einsilbigen Wortes meiner Sprache zurück: schweigst. Neun Buchstaben. Die fädle ich auf meine Gedankenketten und zähle sie erneut auf, die Rosenkranzgebete meines Alleinwissens. Ich spiele meine Gedanken an die schräge Wand. Aber auch das hilft nicht, sie kommen schneller zurück, als ich sie verstehen kann. Echo hingegen lächelt, wie immer nicht in meine Richtung, und kratzt mit ihren Fingernägeln auf dem dreckigen Boden entlang. Ich will sie anspringen, sie zu etwas zwingen. Meine Nerven ziehen sich schmerzhaft zusammen. Sie wehrt sich nicht. Ich merke, daß ich in einer absurden Pose auf dem Boden knie. Ich bin es, der mit den Fingernägeln durch den Dreck kratzt. Wenn Köppen hier wäre, würde ich ihm die Arme auf den Rücken drehen, und er würde sich wehren. Er würde mir die Hand verdrehen, daß ich schreien müßte. Aber ich würde nicht schreien, und Köppen würde mich ansehen wie damals, als wir hier oben auf dem Balken saßen. So ein Blick, bei dem es einem die Wirbelsäule hinunterrennt, so ein Blick wie ein Schlag vor die Brust.
Sommer
    Ich wollte Köppen von Echo erzählen. Aber ich war mir nicht sicher, ob er es richtig verstehen würde. Er würde vielleicht eine Ähnlichkeit mit einem der Mädchen finden. Dabei war sie keinem der Mädchen, die wir kannten, ähnlich. Ich hatte ihm manchmal etwas vom Dachboden erzählt, weil ich hoffte, er würde etwas dazu sagen: daß ich die Stufen bis zum Dachboden gezählt habe, daß es bei blauem Himmel wie in einem Schiffsbauch darin sei. Dann hatte ich ihn eingeladen, mehrmals, und eines Tages stand er in der Tür. Ohne Ankündigung und ohne die Glocke zu benutzen. Er stand einfach in der Tür und sagte wie eine Feststellung: Jan. Ich wußte nicht, ob er mich gesehen hatte. Ich saß oben auf den Balken, fast so hoch wie damals mit ihm. Ich lauschte eine Weile meinem Namen nach: Jan wie ja und nein. Köppen sah sich gar nicht um, vielleicht war er doch manchmal noch hier gewesen, seit ich auf dem Turm wohnte. Und hatte meinen Namen gesagt, um zu prüfen, ob er alleine auf dem Dachboden wäre. Ja, sagte ich schließlich, und Köppen sah in meine Richtung hoch. Ich bin da, Jan, warte, ich komm zu dir. Ich war froh, daß er mein Gesicht aus der Entfernung nicht genau sehen konnte. Die Freude über seinen Besuch und seine warme Stimme verwirrten mich. Als er aber neben mir saß, sah er abweisend aus. Ein seltsamer Ort, den Tag zu verbringen, sagte er. Der Staub dreht sich so langsam in der Sonne. So langsam, als wäre es nicht das Jahr 1913, sondern ein Staubjahr inmitten unzähliger Staubjahre. Und du sitzt darin als Feldherr des Staubes, der sich nach den Strategien in deinem Kopf formiert. Reibst die Wirbel aneinander auf. Überrennst die panisch taumelnden Kolonnen mit einer frisch armierten Phalanx Sonnenstaub, und am Ende siegt nur das Dunkel, in dem ein müder Wirbel zur Ruhe trudelt. So allein bist du hier oben. Was er sagte, verwirrte mich noch mehr, und ich fühlte, wie ich rote Ohren bekam, und hoffte, er würde es nicht sehen. Warum sagte er das, aus Mitleid, aus Spott, oder wollte er es verstehen, wollte er eine Antwort von mir? Ich konnte seine Kühle nicht parieren. Er hatte mich getroffen,

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