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Tuermer - Roman

Tuermer - Roman

Titel: Tuermer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Danz
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Teil dieses Systems von Stütze und Last. Jeder einzelne Moment darin war wie die genaue Schwere der Balken. Die Notwendigkeit eines klaren Gedankens. Die Konzentration eines Stoffes zu seiner einzig möglichen Gestalt. In dieses Modell, dachte ich, könnten sich alle späteren Erscheinungen fügen, als Summe und Variation der hier vorkommenden Einsichten. Ich sah die Scherensparren wie die unteren Hierarchien der staatenbildenden Insekten, ganz eingewöhnt in ihr Dienen. Im Wissen, daß selbst der oberste, der Hahnenbalken, und die Königssäule in der Mitte auch nur ihren Platz auszufüllen hatten. Daß sie halfen, die Dachhaut über die ganze Konstruktion zu spannen. Die janusköpfigen Zimmermannshämmer mit ihrem geneigten Gesicht, das Verbindungen schuf, und ihrem schwalbenschwänzigen Gesicht, das Verbindungen trennte, hörte ich in der Weite dieses hölzernen Raumes nachhallen. Und das Vorspiel zur ersten Fuge auf der neuen Orgel im Kirchenschiff.
    Gleichzeitig ahnte ich aber auch die Unregelmäßigkeit des Ganzen in seinen einzelnen Gliedern. Die überzähligen Stützen, ohne die doch alles aus dem Gefüge geriete. Die eingetriebenen Keile an den Gelenken. Eine angehaltene Deformation eines der Kehlbalken in der zweiten Ebene. Ganz wie das Aufbäumen des Holzes, noch einmal den Eigensinn des Baumes hervorzutreiben, der, einem Hindernis ausweichend, zwar eine Strecke weit waagerecht wächst, um dann doch wieder die Richtung zu verfolgen, die zum Licht führt.
    Obwohl ich wußte, daß ich mich über dem Kirchenraum befand, hatte ich meist das Gefühl, in dem unter der Meeresoberfläche liegenden Schiffsbauch der Kirche zu sein. Still war es hier, wie es tief im Meer sein muß, und nur durch kleine Luken sah man das endlose Blau draußen. Der Boden schwankte leicht, und die Planken, über die ich lief, knarrten. Ganz abgeschlossen war dieser Raum, und ich stand in der Stille des sich geduldig niederlegenden Staubes, dessen neue Muster alle hier geschehenen Bewegungen im Gedächtnis bewahrten. Auch ich wirbelte Staub auf, der sich eine Weile in der Luft drehte, um dann wieder auf die Planken, die Balken und Sparren zu fallen. Es würde eine Weile dauern, bis sich auch das Muster meiner Gegenwart dort abbildete. Die toten Zellen des Holzes öffneten sparsam einige ihrer geheimen Augen, um einen Blick auf mich zu werfen, ungerührt, wie die versteinerten Gestalten der Märchen, für die nach hundert Jahren noch ein Ereignis vorgesehen ist.
Hagel
    Stürmisch war es in diesen ersten Maitagen und kalt wegen des noch einmal zurückkehrenden Winters. Am frühen Nachmittag kündigte fernes Grollen Gewitter an, und der Hagel schlug hart wie auf ein Xylophon auf die Ziegel, hell und tönern. Es war, als müßten sie vom First aus übereinander herabrutschen, um bloß das nackte Holzgerüst stehenzulassen. Es war, als müßte das nach fünfhundert Jahren gerade heute geschehen. Doch es geschah nicht, das Dach hielt, und das war fast schlimmer, denn nun wußte ich, hier oben war ich ausgesetzt, ich gehörte nicht mehr in den Schutz der Stadt, ich gehörte zum Himmel und zu den Vögeln.
Beiwächter
    Vater hatte mich mit einer kurzen Bewegung seines Kopfes zu sich ins Wohnzimmer gerufen. Jan, sagte er, während er am Fenster stand und hinaussah, willst du unbedingt da unten etwas anfangen? Ich wußte nicht, was ich antworten sollte. Was könnte ich machen, eine Lehre zum Schuster, hatte ich immer gedacht. Es würde mir gefallen, in meiner Werkstatt allein zu arbeiten. Die harten Sohlen, das weiche Leder. Die Verschiedenheit der Schuhe. Elegante Damenschuhe, in deren weiches Leder sich Überbeine und ein schiefer Gang eingedrückt hatten, und Kinderschuhe, die durch verbotene Reviere gekommen waren. Schuhe, die geliebt wurden, und plumpe, praktische Schuhe, die von ihren Trägerinnen verwünscht und heimlich mißhandelt wurden. Doch ich richtete sie wieder, und sie hielten noch eine Saison, bis es auch schon egal war. Als fast noch junger Mann einen krummen Rükken bekommen und schlechte Augen und schließlich ein letztes Paar Schuhe machen, das schon keiner mehr kauft. Reparaturen nicht mehr annehmen und nutzlos werden. Ich konnte mir fast jede Arbeit für mich vorstellen, weil es mich nicht stören würde, tagaus, tagein dasselbe zu tun. Vermutlich würde ich es auch gar nicht merken. Ob es unbedingt sein müßte, das anzufangen? Nein, mir war es nicht wichtig, das oder etwas anderes zu tun. Vater ließ mir Zeit für die

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