Turner 01 - Dunkle Schuld
buchstabierend, hatte es sich Valerie Bjorn neben Don Lee bequem gemacht.
»Sind Sie neu oben bei der State Police?«
»Inzwischen über ein Jahr.«
»Es ist aber nicht zu übersehen, dass Sie keine Uniform tragen.«
»Keine Uniform - oh. Ich bin kein Trooper, Sheriff. Ich arbeite als Anwältin für die Kaserne. Commander Bailey fragte mich, ob es mir etwas ausmache, den Spurensicherungskoffer abzuholen.«
»Na, die State Police kann’s sich heutzutage offenbar leisten, hoch bezahlte Laufburschen zu beschäftigen.«
Sie schmunzelte. »Ich wohne hier, Sheriff. Also, nicht direkt hier. Aber nicht weit außerhalb der Stadt.«
»Im alten Ames-Haus.«
»Ich bin vor zwei Monaten eingezogen.«
»Ja, hab schon gehört, dass jemand es gekauft hat. Das Haus stand ziemlich lange leer und muss bestimmt komplett renoviert werden, würde ich meinen.«
»Das meiste mache ich selbst. Mein Großvater war Bauunternehmer, einer von denen, die damals noch alles selber gemacht haben, die Klempnerarbeiten, Elektrizität,
Zimmererarbeiten. Er hat mich großgezogen. Mit acht, neun Jahren bin ich bereits unter Häusern rumgekrochen.«
»Und haben bis heute nicht damit aufgehört«, sagte ich.
»Ich dachte, ich hätte. Aber bei solchen Dingen liegen wir oft daneben, stimmt’s? Nicht, dass ich viel Zeit dazu hätte, herumzukriechen und so, neben meiner eigenen Arbeit und dem, was ich für die Kaserne erledige. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich Sie aufgestöbert habe, Sheriff. Ich habe Ihren Jeep draußen stehen sehen.«
»Ganz und gar nicht, Miss Bjorn.«
»Val. Bitte.«
Urplötzlich tauchte Thelma an unserem Tisch auf, sagte: »Kommen Sie, lassen Sie mich etwas Platz schaffen«, räumte Teller ab und stapelte sie auf ihrem linken Arm. »Kann ich euch noch was bringen, Jungs? Ma’am?«
Ihre Blicke begegneten sich kurz. »Mehr Kaffee? Habe gerade eine frische Kanne gemacht.«
»Das wird zu spät für mich alten Mann«, sagte Bates. »Bin wahrscheinlich jetzt schon bis Dienstag wach.«
Don Lee und ich lehnten auch ab.
»Für mich nichts«, sagte Val. »Aber danke.«
»Können wir die Rechnung bekommen?«, fragte Bates. Thelma drehte sich um und schüttelte den Kopf. Er schüttelte seinen.
»Wie lange geht das nun schon so, Thelma? Vier, fünf Jahre?«
»Sonny sagt, ich soll dir keine Rechnung geben. Das weißt du.«
»Und du weißt …«
»Er ist mein Boss, Lonnie. Ich muss tun, was er mir sagt. So ist das bei den meisten von uns. Ist dieser Job nicht auch so schon hart genug?«
»Okay, okay. Deine Schicht ist sowieso beinahe vorbei.«
»Das Leben ist vollgepfropft mit ›beinahes‹, stimmt’s?«
Während er darauf wartete, dass sie ging, zog Bates einen Zwanziger und einen Fünfer aus seiner Brieftasche und klemmte beide Scheine unter die Zuckerdose. Locker das Doppelte des Rechnungsbetrages.
»Sie stirbt fast vor Neugier, wer Sie wohl sind«, meinte er zu Val.
»Ist mir nicht entgangen.«
»Wollen Sie mit mir zurück ins Revier fahren und den Koffer mitnehmen?«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich stattdessen morgen auf dem Weg zur Arbeit kurz bei Ihnen reinspringe, Sheriff? Ich möchte jetzt am liebsten direkt nach Hause und mich etwas ausruhen.«
»Wollen wir das nicht alle?« Er nickte. »Was meinen Sie, wann kommen Sie vorbei?«
»Sieben, halb acht?«
»Einverstanden. Ich bin dann noch nicht da, dafür aber Don Lee.«
Wir standen auf und gingen zur Tür.
»Dann gute Nacht«, sagte Val draußen. Sie sah uns nacheinander an und schüttelte Bates die Hand.
»Lisa hängt mich draußen auf die Wäscheleine«, sagte Don Lee.
»Schätze, das wird sie wohl. Ganz zu schweigen von deinem
Abendessen, das sie an die Schweine verfüttert hat.« Bates wandte sich mir zu: »Sie brauchen jemanden, der Sie zurückbringt.«
»Sie wohnen nicht in der Stadt?«, erkundigte sich Val.
Ich schüttelte den Kopf. »In einer Blockhütte oben am See.«
»Schön da oben.«
»Das ist es.«
»Trotzdem, schrecklich spät. Er gehört zu Ihnen, Sheriff, richtig?«
»Also …«
»Hören Sie, bis zum See hoch ist es ziemlich weit. Ich habe ein freies Zimmer. Steht noch nicht viel drin, nur ein Etagenbett mit einem Futon drauf, ein paar Plastikwürfel, eine Nachttischlampe ohne Nachttisch. Aber das alles könnte Ihnen gehören für diese Nacht.«
»Ein Königreich.«
Wir fuhren aus der Stadt in die entgegengesetzte Richtung vom See, vorbei an Papa Totzskes weitläufiger Apfelplantage und den zwanzig
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