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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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Meter langen Hühnerställen. Auf der Rückbank von Vals sechs Jahre altem gelben Volvo stapelten sich Kisten, Aktenordner, Klamotten und Zeitungen. Als sie den Schlüssel im Zündschloss drehte, dröhnte uns Uralt-Musik entgegen. Gid Tanner vielleicht. Sofort drückte sie die Stopptaste des Kassettenrekorders.
    »Entschuldigung, normalerweise habe ich diesen Teil der Welt für mich allein.«
    »Versuchen Sie, sich anzupassen?«
    Sie lachte. »Kaum. Ich bin mit dieser Musik groß geworden, höre und spiele sie seit meinem zehnten Lebensjahr.«
    »Kurz nachdem Sie Ihre Zimmermannkarriere begonnen haben.«
    »Genau. Hammer, Schraubenzieher, Mandoline. Mit dem Hammer war ich allerdings viel besser.«
    Das alte Ames-Haus lag sechs oder sieben Meilen außerhalb der Stadt, am Ende einer Schotterstraße, die so viele tiefe Schlaglöcher und Spurrinnen hatte, dass sie mühelos als kindlicher Nachbau des Grand Canyon durchgegangen wäre. Pekannussbäume und eine riesige, wild wuchernde Trauerweide standen neben dem Haus. Ganze Indianerstämme könnten vollkommen unbemerkt da drin leben.
    Val parkte unter einem der Pekannussbäume, und wir stiegen aus. Ich musste hart mit dem Ballen meiner Hand gegen die Autotür schlagen, um sie aufzukriegen. Val hatte mich gewarnt, dass sie manchmal etwas klemmt. Aus dem Kofferraum nahm sie eine Segeltuchtasche, die ihr offensichtlich als Aktentasche diente. Ein Eichhörnchen saß direkt über uns auf einem Zweig und schnatterte uns entrüstet an.
    »Ich habe momentan nur zwei bewohnbare Räume«, sagte Val, als wir durch den Eingangsbereich in ein kleines Wohnzimmer traten, das damals, als das Haus gebaut wurde, sicher nur an Feiertagen und zu formellen Anlässen benutzt wurde. Jetzt schmückte es sich mit einem schmalen Bett, einem Schaukelstuhl und einem Tisch, der drei verschiedene Funktionen erfüllte - Schreibtisch, Essplatz und Lagerfläche. Ein antiker Schrank stand in der einen Ecke, von dem die linken Schubladen genutzt wurden, während die rechte Seite gerade von verschiedenen Lagen Lack und Farbe befreit wurde und das schöne Holz darunter zum
Vorschein kam. Sandpapier, eine flache Schale und Lumpen lagen obenauf.
    An der Wand hing ein Kürbisbanjo. Ich ließ die Finger über die Saiten gleiten und war überrascht, dass sie nicht aus Stahl waren, sondern weich, wie bei einer klassischen Gitarre.
    »Sie meinen es aber wirklich ernst damit.«
    »Ich denke schon, ja.«
    Sie nahm das Banjo runter, setzte sich und balancierte es auf ihrem Schoß. Zupfte an ein oder zwei Saiten und drehte an den Wirbeln. Dann begann sie zu spielen, zupfte mit dem Zeigefingernagel einen Melodieton und strich dann über andere Saiten, während der Daumen förmlich auf der kurzen fünften Saite tanzte. »Soldier’s Joy.« Unvermittelt hörte sie auf und brachte das Instrument an seinen Platz zurück.
    »Möchten Sie Tee?«
    »Liebend gern.«
    Durch eine Flügeltür ohne Türen gingen wir in die Küche.
    »Hier bin ich wirklich guten Glaubens Südstaatlerin.«
    Während sogar das Wohnzimmer etwas von Improvisation an sich hatte, so wie Camping oder Genügsamkeit, war die Küche komplett ausgestattet, Töpfe und Vorräte in den Regalen, Geschirrtücher auf dem Trockengestell, Teller gestapelt im Küchenschrank, Messerblock auf der Arbeitsplatte neben dem Herd. Wir saßen an einem abgenutzten Holztisch und warteten darauf, dass das Wasser kochte.
    »Das Komische ist«, sagte Val, »dass das alles gar nicht mein Ding war, lange Zeit überhaupt nicht. Als Jugendliche konnte ich es kaum erwarten, endlich wegzukommen.«

    »Sind Sie hier in der Gegend aufgewachsen?«
    »In Kentucky. Kein bisschen anders. Als ich ging, um das College zu besuchen, habe ich mir gesagt, das war’s, ich werde nie mehr zurückblicken. Und ich werde absolut niemals wieder zurückkehren. Ich nahm die beiden JCPenney-Kleider, die ich als Serviererin getragen hatte, und einige Bücher, die ich vergessen hatte, der Bibliothek zurückzugeben, und ließ mich in einem Schlafsaal in Tulane nieder. Das war 1975. Das Debüt meiner Mitbewohnerin aus Texas wurde dagegen von Hunderten von Leuten begleitet. Sie benutzte den größten Teil meines Kleiderschranks zusätzlich zu ihrem eigenen - ich brauchte ihn nicht. Und diese beiden Kleider sahen darin so fehl am Platz, so anachronistisch aus wie eine Gardenie in meinem Haar.«
    Val schüttete Wasser in eine runde Teekanne.
    »Ich war intelligent. Das war einer von zwei oder drei Wegen dort raus.

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