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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis
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grüner war als das Grün, zwischen dem ich aufgewachsen war, rezitierte ich Chaucer, rief mir Euklid ins Gedächtnis, zählte, um wach und wachsam zu bleiben, die Grundprinzipien der
Wirtschaft auf - und ließ das alles hinter mir auf dem Pfad zurück: wie Sporen, Gekleckertes.
    Kein Problem für diesen Jungen, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. An einem Freitag stieg ich in Memphis aus dem Flugzeug, stand ungefähr eine Stunde vor dem Busbahnhof, ohne hineinzugehen, und ging dann. Schaffte es nie bis nach Hause. Fand ein billiges Hotel. Am Montag lief ich zu Fuß quer durch die halbe Stadt zum Polizeipräsidium, wo ich ein Bewerbungsformular ausfüllte. Warum die Polizei? Nach all den Jahren kann ich mich nicht mehr an einen speziellen Gedanken erinnern, der mich damals dorthin führte. Ich hatte zweieinhalb Jahre auf mich schie ßen lassen. Vielleicht dachte ich mir, das sei Qualifikation genug.
    Statt auf Ellbogen zu gehen, saß ich Wochen später in einem Ford, der wie verrückt schaukelte und bockte, während die Zylinder permanent knallten. Irgendwie kämpfte ich mich immer noch durch die Wildnis. Falls so etwas überhaupt möglich war, dann war mir die Stadt noch fremder, als es der Dschungel je gewesen war. Officer Billy Nabors saß am Steuer. Er hatte einen Atem, der die Farbe und die Tapeten von den Wänden schälen und Hühnchen die Federkiele abflämmen konnte.
    »Was ich von dir erwarte«, sagte er, »ist Folgendes: Halt einfach die Schnauze, sitz da und sperr die Augen auf. Bis ich dir sage, dass du was anderes machen sollst, ist das alles, was ich von dir erwarte.«
    Er jagte die Karre die Jefferson runter Richtung Washington Bottoms, über eine geradezu spektakuläre Ansammlung von Schlaglöchern in eine Gegend, die entweder
ein lange aufgegebenes Gewerbegebiet war oder aber die Kulisse eines nach dem Krieg spielenden Science-Fiction-Thrillers. Wir hielten auf einer Höhe mit den einzigen, weit und breit sichtbaren Exemplaren einer Lebensform, die allesamt in der Nähe einer Tankstelle herumlungerten, die mit dem Schild BEST BARBECUE warb. Ein vierstöckiges Wohnhaus auf der anderen Straßenseite war eingestürzt, und auf dem Bordstein davor saß eine junge Frau und starrte auf ihre Schuhe, während ihr Speichel sich in trägen Fäden das schwarze T-Shirt mit dem Aufdruck ATEFUL DE D hinunterschlängelte. Ein riesiger kariöser Holzzahn hing vor der ehemaligen Zahnarztpraxis rechts. Das leere Grundstück links war überwuchert mit abgefahrenen Autoreifen, Mülltüten, Einzelteilen von Einkaufswägen, Fahrrädern und Plastikkühlboxen, schartigen Fragmenten von Ziegeln und Hohlblocksteinen.
    Nabors nahm das Special auf einem Kaiserbrötchen, Fritos und dazu einen halben Liter Kaffee. Den Kaffee nahm ich auch und schenkte mir den ganzen Rest. Meine Güte, ich hätte eine Woche allein von dem leben können, was er auf sein Hemd kleckerte. An diesem Tag jedoch sollte sein Hemd noch eine Weile länger sauber bleiben, denn als wir uns gerade wieder in den Streifenwagen gesetzt hatten und er anfing auszupacken, kam der Funkspruch rein. Nächtliche Ruhestörung. Magnolia Arms, Apartment 24.
    Er fuhr uns zwölf Blocks weit an einen Ort, an dem es ziemlich genauso aussah wie dort, wo wir gerade herkamen.
    »Deine erste Ruhestörung, stimmt’s?«
    Ich nickte.

    »Scheiße.« Er schaute auf sein noch verpacktes Barbecue. Fett kroch langsam daraus hervor aufs Armaturenbrett. »Du bleibst hier sitzen. Wenn dir irgendwas komisch vorkommt, wenn du irgendwas hörst, setzt du sofort ›Kollege braucht Hilfe‹ ab. Denk nicht groß drüber nach, versuch nicht, draus schlau zu werden, gib den Spruch einfach nur gottverdammt durch. Kapiert?«
    »Mensch, Cap’n, weiß nich so genau. Sie kennen das ja selbst.«
    Nabors verdrehte die Augen. »Was hab ich nur getan? Womit hab ich das verdient?«
    Er öffnete die Tür, wuchtete sich hinaus und mühte sich eine schlichte Treppenkonstruktion hinauf. Ich beobachtete, wie er die erste Etage entlangging. Vorsichtig, konzentriert. Ich streckte die Hand aus, nahm sein beschissenes Sandwich und warf es aus dem Fenster. Er klopfte an die Tür von Apartment 24. Unterhielt sich, stand noch einen Moment dort, ging dann hinein. Die Tür schloss sich hinter ihm.
    Die Tür schloss sich, und sonst passierte nichts weiter. Drinnen brannte Licht. Sehr lange geschah nichts anderes. Ich stieg aus dem Streifenwagen, ging zur Rückseite des Hauses. Basierend auf irgendeiner

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