Turrinis Bauch - Kriminalroman
Besitzer mehrerer Schusswaffen und kann selbige auch handhaben!“
Wahnsinn, das hätte die Gucki ihrem Franz gar nicht zugetraut! Dass der Herr Notar so ein Mann der Tat ist. Einer, der nicht nur seine Beziehungen spielen lasst, sondern einer, der die Sache selber in die Hand nimmt. Praktisch wirklich ein Mann!
Lasst sich aber nix ankennen, die Gucki. Dass ihr das imponiert. Rattert die Speisekarte herunter: „Vorspeise Kalbsbeuschel mit Serviettenknödel, dann Kalbsstelze mit Reis und Eierschwammerlsauce, und Salzburger Nockerl als Nachspeis. Um Punkt halb fünf wird gegessen!“
So, jetzt wissen wir wenigstens einmal, was es zum Essen gibt. Aber: Abendessen – um halb fünf? Schon ein bisserl anbald – wenn du mich fragst! Ist wegen der Erni. Die ist das so gewohnt. Vom Altersheim. Da müssen sie auch immer so bald essen. Dass es sich mit dem Bettgehen noch ausgeht, bevor die Pflegerinnen aus dem Dienst gehen. Weil ab sechs – da ist dann nur mehr der Nachtdienst da. Sprich: Bettruhe!
Die Gucki veranstaltet das ganze Festessen ja sowieso nur für die Erni. Dass sie auch einmal was Gescheites kriegt. Nicht immer nur den faden Altersheim-Fraß! Seit die Gucki in St. Hans arbeitet, ist ihr nämlich auch klar, warum sich die alten Leute bei der Geburtstagsfeier wie wild auf die Geschenkskörbe gestürzt haben: weil das Essen im Heim so aufregend schmeckt wie eingeschlafene Füß!
Hat sich ja auch bei der Menüplanung was überlegt, die Gucki. Kalbsbeuscherl: der Erni ihre Lieblingsspeise. Kriegst du im Altersheim nicht. Kriegst du aber auch sonst nirgends. Nicht um viel Geld! Hat es früher in jedem Wirtshaus gegeben. Heute von allen Speisekarten verschwunden. Einfach nimmer gefragt! Gibt ja beim Essen genauso eine Mode wie beim Gewand. Beuschel praktisch komplett aus der Mode. Dafür sind jetzt so Bröckerl von einem rohen Fisch modern. Brr!
Das meiste wird aber eh nicht so roh gegessen wie gekocht. Zumindest nicht im Mühlviertel. Weil wir gottseidank bei allem immer ein bisserl nachhinken. Da verschwinden dann oft die ärgsten Blödsinnigkeiten wieder sang- und klanglos von der Bildfläche, bevor sie es überhaupt ins Mühlviertel geschafft haben. Hoffentlich auch der rohe Fisch!
Immer funktioniert das aber auch nicht. Sagen wir einmal: die Leggins. Wer Leggins nimmer kennt: Das war eine hautenge dünne Hose für Frauen – beziehungsweise eine dicke Strumpfhose mit abgeschnittenen Füßen. War ein absoluter Renner. So um 1990 wird das gewesen sein. Da hat in Linz praktisch jede Frau Leggins angehabt. Dezent oder in knalligen Farben, einfärbig oder bunt gemustert – Leggins waren Pflicht!
Egal, welche Figur eine gehabt hat! Hat ja bei einer guten Figur gar nicht so schlecht ausgeschaut. Eben figurbetonend. Nur: Welche Frau hat schon eine gute Figur? Da haben dann die Leggins öfter nicht nur figurbetonend , sondern auch ziemlich arschbetonend sein können. Bin ich eine Zeitlang lieber nimmer nach Linz gefahren. Weil dort alles arsch war.
Sind nach zwei Jahren eh wieder verschwunden, die Leggins. Wie es bei der Frauenmode halt so ist. Aber damit war der Spuk nicht vorbei. Weil zehn Jahre später sind die Leggins dann auf einmal im tiefsten Mühlviertel aufgetaucht und haben sich langsam, aber sicher ausgebreitet. Und sind bis heute ein fester Bestandteil der Damengarderobe.
Um Gottes willen! Da red ich lang und breit über die Mode daher – und die Gucki hat ganz andere Sorgen: Wer ist die Mörderin? Lasst sich aber eh nix ankennen, die Gucki. Übergießt die Stelze, schenkt Wein nach und führt Schmäh mit ihrem Besuch.
Da merkt keiner, dass es in ihrem Hirnkastl wurlt wie in einem Ameisenhaufen. Ist sowieso typisch für die Gucki: nachdenken und dabei was ganz was anderes tun. Genauso wie es typisch für sie ist, dass sie so tut, wie wenn alles in bester Ordnung wär. Auch wenn die Situation noch so beschissen ist.
Aber so ist die Gucki halt einmal erzogen worden. Da hat auch so einiges nicht gepasst in der Familie. Papa gestorben, wie sie noch ganz klein war. Mama dafür größere Probleme: Männer-Probleme, Spielcasino-Probleme, Alkoholprobleme. Praktisch nur Probleme.
Aber geredet – geredet ist nie darüber worden. Höchstens gemurmelt. Von der Oma. Der Opa aber hat nicht einmal gemurmelt. Hat die Zähne zusammengebissen und hat sich auf die Gucki gestürzt. Wie wenn sie ein Werkstück wär. Aus Eisen. War ja ein gelernter Schlosser, der Opa. Da musst du als Lehrbub ziemlich viel feilen.
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