Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)
Steuermann (Segler) nicht länger als Bundeskanzler« gebrauchen könne. Und weiter: »Es ist dann wahrscheinlich, dass wir uns in Wirklichkeit alsbald keinen Schnaps mehr leisten können.«
Die plattdeutsche Antwort des Schmidt-Abschleppers ist eindeutig: »Klei mi an Mors.«
Nicht des Plattdeutschen Mächtige verwenden an dieser Stelle das Kürzel »L.M.A.A.«.
Als Helmut Schmidt einmal …
… Jimmy Carter den Kölner
U-Bahn-Fahrplan vorlesen wollte
Man kann nicht sagen, dass der Kanzler etwas gegen Musik hat. Man kann aber sagen, dass der Kanzler etwas gegen Jimmy Carter hat. Aber am schlimmsten ist es, wenn Jimmy Carter und Musik zusammen in Erscheinung treten.
Es ist nun einmal so, dass die zwei wichtigsten Männer der westlichen Welt zuweilen Dinge zu besprechen haben – zum Beispiel, was die Russen so vorhaben, was man dagegen tun kann und wie die Weltwirtschaftskrise in den Griff zu bekommen ist.
In solchen Fällen greift Helmut Schmidt zum Telefon. Und was er dann hört, wenn Jimmy Carter drüben rangeht, nährt nicht nur in ihm Zweifel an der Weltmacht USA.
Denn deren Anführer lässt sich dann nicht nur vom Kanzler beschallen, er hört nebenbei auch noch seine Plattensammlung durch.
Schmidt: »Der dreht noch nicht mal den Ton leiser, wenn man ihn anruft. Und bei all den schmetternden Trompeten und Violinen versteht man kein Wort von dem, was er sagt.«
Das lässt im Kanzler einen raffinierten Plan reifen. Bei einem der nächsten Gespräche plane er, statt seines üblichen Krisen-Referats den Fahrplan der Kölner U-Bahn vorzutragen, denn: »Es ist sinnlos, mit ihm zu reden. Er hört sowieso nicht zu.«
Als Helmut Schmidt einmal …
… sein eigenes Richtfest schwänzte
In den Siebzigerjahren sind Sozialdemokraten gefürchtete Bauherren: Damit der von ihnen geförderte Facharbeiter sich weiterbildet, dabei aber nie im Dunkeln sitzt, stellen die Sozis das Land mit Gesamtschulen, Universitätsneubauten und Atomkraftwerken voll. Die sind vor allem zweckmäßig, treiben aber ansonsten nur der beton- und stahlverarbeitenden Industrie Freudentränen in die Augen. Für Ästheten ist das nichts.
Vielleicht ist das rein Funktionale der Bauten ja den Ursprüngen der Sozialdemokratie geschuldet: Wer höheren Werten wie Gerechtigkeit verpflichtet ist, dem ist zu viel Schmuck am Bau verdächtig.
Manchmal wird es aber auch Sozialdemokraten zu viel. Wenn sie nämlich selber in ihre eigenen Gebäude einziehen sollen.
Als am 15. Oktober 1974 der Polier Rainer Schnidewind den Richtspruch »Gottlob, jetzt steht zu unserer Freude aufgerichtet das Gebäude …« für das neue Kanzleramt in die Menge ruft, fehlt nur einer: der neue Hausherr.
Helmut Schmidt hat es vorgezogen, zu Konsultationen in die SPD-Fraktion zu fahren. Und das will was heißen. Sein Kanzleramtsminister Manfred Schüler lässt bei Lüttjer Lage (Bier und Korn) vor den 800 Gästen verlauten, dass der Kanzler, der einmal Architekt werden wollte, »an der Konzeption der Planung und Bauausführung des Kanzleramtes notwendigerweise nur einen geringen Anteil« nehmen konnte.
Schmidt wäre gern im bisherigen Regierungssitz, dem einem barocken Lustschloss nachempfundenen Palais Schaumburg, geblieben. Die neue Regierungszentrale mit ihrer kupferfarbenen Metallhaut sieht hingegen so ähnlich aus wie ein damaliges Westberliner Uni-Gebäude, das den Spitznamen »Rostlaube« trägt.
Dabei hat das Gebäude Vorteile. Während im Bonner Regierungsapparat Sachbearbeiter Anspruch auf Büros von zwölf Quadratmetern haben, Referenten 24 und Abteilungsleiter 36 Quadratmeter belegen dürfen, bekommen im neuen Kanzleramt alle einheitlich 22 Quadratmeter. Nur Staatssekretäre dürfen mehr beanspruchen – 55 Quadratmeter. Und natürlich der Kanzler: Er bekommt 100 Quadratmeter.
Architekturkritiker sind von dem Gebäude nicht begeistert, einer bezeichnet es als »lieblos und monoton«. Das 105-Millionen-Ding habe den »Charme einer rheinischen Sparkasse«, ist der härteste Spruch, den die Planer sich anhören müssen. Und: »Ich verabscheue den pompösen Stil rheinischer Generaldirektoren.«
Geäußert hat die radikale Architekturkritik ein den schönen Künsten zugetaner Mann.
Er heißt Helmut Schmidt.
Als Helmut Schmidt einmal …
… einfach nicht mehr austreten konnte
Deutschland ist das Land des Vereinswesens, und nirgendwo ist die Vereinsdichte größer. Deutschland hat die größte Gewerkschaft der Welt, ver.di., und mit dem ADAC den
Weitere Kostenlose Bücher