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Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Titel: Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jost Kaiser
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Dann könnten Sie alles ganz alleine machen.«
    Für kurze Zeit geht der Traum von der Ämterhäufung später sogar in Erfüllung. Am 17. September 1982 schmeißt der Kanzler die FDP-Minister aus dem Kabinett. Für 26 Tage, bis zum 1. Oktober 1982, ist Schmidt Bundeskanzler und Außenminister in Personalunion.

 
    Als Helmut Schmidt einmal …
    … wegen Hans-Dietrich Genscher
die Stühle wegräumte
    Wenn Helmut Schmidt im Kanzleramt Besuch bekommt, kann man davon ausgehen, dass dem Gast eine halbwegs höfliche Behandlung zuteil wird, denn Politik, das ist immer noch eine Sache bürgerlicher Umgangsformen. Klar, es gibt Herbert Wehner, der im Bundestag wegen seiner Ausbrüche den Rekord an Rügen hält. Der Mann, der andere, wie den Parlamentspräsidenten Richard Stücklen, ganz so wie in der Sponti-Kneipe einfach »Arschloch« nennt, der spätere Riesenstaatsmann Joschka Fischer, kommt erst noch ins Parlament.
    Helmut Schmidt hat andere Möglichkeiten, dasselbe mitzuteilen wie Fischer, aber dabei andere Ausdrucksformen zu verwenden.
    Im September 1982 gibt es vor allem einen, zu dem Schmidt gern dasselbe sagen würde wie später Fischer zu Stücklen. Dieser Mann ist gerade dabei, die sozialliberale Koalition aufzukündigen und Helmut Kohl zum Kanzler zu machen.
    Als Hans-Dietrich Genscher Schmidt sein Kommen ankündigt, um zusammen mit der FDP-Frau Hildegard Hamm-Brücher seinen Abschiedsbesuch beim Kanzler zu machen, gibt der klare Anweisungen, wie mit dem Gast und speziell dem Empfangsraum zu verfahren sei: »Die Stühle werden rausgenommen, damit sich erst gar keiner hinsetzt. Ein Glas Wein, keine Fotografen. Mit Genscher muss ich mich wirklich nicht noch mal ablichten lassen.« Der kommt dann aber doch nicht.

 
    Als Helmut Schmidt einmal …
    … für sein volles Haar gelobt wurde
    Der Regierungswechsel 1982 soll ja die sogenannte geistig-moralische Wende bringen. Von der obskuren Sache hört man nie wieder etwas. Dafür hat der Kanzlerwechsel für viele Menschen ganz konkrete Auswirkungen.
    Auf die Frage, ob die Tolle des ehemaligen Kanzlers eine besondere Herausforderung sei, antwortet Saloninhaber Willi Münch: »Nein, gar nicht. Überhaupt nicht. Der Helmut Schmidt, der hat ein einmaliges Haar. Das ist überhaupt keine Kunst, den zu frisieren. Und glauben Sie, mancher Politiker wünschte sich, er hätte dieses Haar von dem Helmut Schmidt.«
    27. Oktober 1982. Knapp zwei Monate nach dem Regierungswechsel. Auf dem Kopf der neuen Herren von Bonn ist nicht viel los. Helmut Kohl: überkämmte Glatze. Verteidigungsminister Manfred Wörner: Platte. Norbert Blüm: Platte mit Restlöckchen. Von den neuen Ministern kann nur Gerhard Stoltenberg einigermaßen mithalten mit dem, der als unangefochtener Frisurenk önig des Salons Münch im Bonner Regierungsviertel gelten darf, wo sich fast alle Politiker die Haare schneiden lassen.
    Nein, eigentlich hat Helmut Schmidt in Bonn nur einen ernsthaften Konkurrenten, was Hanseatentum und Frisierbarkeit angeht: Walther Leisler Kiep. Ansonsten: überall nur totaler Ausfall.

 
    Als Helmut Schmidt einmal …
    … ausnahmsweise nicht sagen wollte,
dass er alles richtig gemacht habe
    Meistens sitzen die Bundestagsabgeordneten im Plenum und lesen Zeitung: Abgeordnete langweilen sich ja immer dann, wenn ihresgleichen, Frauen und Männer wie wir, sogenannte Volksvertreter, reden. Also fast immer.
    Weder das Wort Volk noch das Wort Vertreter hat ja wirklich einen guten Klang.
    Ab und zu aber tritt ein Mann ans Pult, räuspert sich, steckt die eine Hand in die Hosentasche, holt sie wieder heraus und doziert, während er mit dem Zeigefinger Löcher in die Bundestagsluft sticht. Dann ist Regierungserklärung, und der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Helmut Schmidt, gibt den Abgeordneten die Ehre seines Wortes. Die Zeitungen werden weggelegt, Stille tritt ein. Weltpolitik, die schon gemacht wurde, wird erklärt, Weltpolitik, die noch kommen wird, angekündigt.
    Und das macht Schmidt gern: 22-mal zwischen Mai 1974 und Oktober 1978 ergreift er im Bundestag das Wort. Das ist zum damaligen Zeitpunkt Rekord: Konrad Adenauer schaffte in 14 Jahren 39 Regierungserklärungen, also 2,7 pro Jahr. Ludwig Erhard erklärte sich in drei Jahren achtmal – 2,6-mal pro Jahr. Kiesinger trat in knapp drei Jahren immerhin elfmal (Jahresschnitt: 3,6) zur großen Rede an, und Willy Brandt brachte es in viereinhalb Jahren – die hat Helmut Schmidt da schon hinter sich – auf nur 17

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