Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)
einzige überlieferte Schmidt-Rede übers Schmidt-Sein gelten darf. Der Kanzler, der letztes Jahr die RAF und ein Jahr davor bei der Bundestagswahl knapp Helmut Kohl besiegt hat, vermutet, dass ein spezielles Schmidt-Gen für derartige Spitzenleistungen verantwortlich sein könnte: »Wir Schmidts haben Beispiele dafür gegeben, dass man harte Sachen nur mit harter Arbeit bewältigen kann.«
Auch kalauern kann der Kanzler, der sonst gern in Fachchinesisch referiert: »Jeder ist seines Glückes Schmidt, und man muss das Eisen schmidten, solange es heiß ist«, ruft er bestens gelaunt in die völlig überraschte Menge.
Bei einem speziellen »Helmut-und-Hannelore«-Empfang trifft Schmidt kurz darauf sogar auf 22 Hannelore und 24 Helmut Schmidts aus Essen, die zum Teil sogar miteinander verheiratet sind.
Die Schmidt-Sause bleibt eine einmalige Angelegenheit. Zwar hat es schon eine ähnliche Party zum Namen Naumann geben, aber mit großen Namen ist es erst mal vorbei.
Auf die Frage, ob nicht der Name des anderen großen Helmut für ein Treffen infrage käme, antwortet das Repräsentationsamt, dass man nicht in den Kategorien des Parteienproporzes denke. Und außerdem: »So viele Kohls gibt’s in Essen nicht.«
Der Pott bleibt Schmidt-Country.
Als Helmut Schmidt einmal …
… fast der Rüsselkäfer zu Hilfe kam
1978. Der Kanzler residiert inzwischen zwei Jahre im neuen Kanzleramt. Der Groll des Regierungschefs über ästhetische Zumutungen des Gebäudekomplexes ist immer noch nicht abgeklungen. Im Gegenteil: Schmidt ist schwer genervt von der Kopfsteinpflaster-Wüste, die sich vor seinem Amtssitz ausbreitet. Er fühle sich an einen Exerzierplatz erinnert, sagt Schmidt.
Der anglophile Kanzler will deshalb für 80 000 Mark englischen Rasen verlegen lassen. Doch da ist der Haushaltstitel vor. Unter Budget-Kennziffer 81301 sind 100 000 Mark für die »künstlerische Ausgestaltung des Bundeskanzleramtes« vorgesehen. Doch ist ein neuer Rasen »eine künstlerische Ausgestaltung«? Gartenbaukunst-Fans wie Ludwig XV., der Erbauer von Versailles, oder Joseph der I., der Erbauer von Schönbrunn, hätten da keine Zweifel gehabt. Aber die hatten auch nicht, wie Schmidt, den Bund der Steuerzahler im Nacken, der mäkelt, eine Rasenverlegung sei höchstens eine »gärtnerische Ausgestaltung« und keine künstlerische.
Zunächst sieht es so aus, als würde dem Kanzler eine italienische Hilfsbrigade die Lösung des Problems abnehmen: Mit der aus dem Süden importierten Taxus-Hecke, die bisher im Garten steht, ist auch der sogenannte Rüsselkäfer eingeschleppt worden. Der frisst sich nun durch das Grünwerk. Die Kanzlergärtner stehen der Plage ratlos vis- à -vis. Auch Loki, immerhin gelernte Botanikerin, ist machtlos. Wäre da nicht eine Radikallösung – Hecke weg, Rasen als Ersatz her – das Beste? Doch so weit kommt es nicht. Nicht der fressende Rüsselkäfer, sondern die bildende Kunst verschafft dem Kanzler schließlich sein Grün im Hof.
Ein Schmidt-Beamter hat die Lösung, wie die gärtnerische und künstlerische Ausgestaltung unter besonderer Berücksichtigung des Bundes der Steuerzahler doch noch versöhnt werden können: »Was, wenn auf dem Rasen eine Plastik steht?«, fragt der clevere Mann verschmitzt.
Ein Jahr später werden im Hof des Kanzleramtes die Plastiken »Two Large Forms« des englischen Künstlers Henry Moore aufgestellt. Auf englischem Rasen. Der Hausherr ist zufrieden. Denn die Staatsgäste sollen nicht glauben, das Land sei so öd wie seine Regierungszentrale: »Das ist für die dann Deutschland, mehr kriegen sie ja meist nicht zu sehen.«
Als Helmut Schmidt einmal …
… Schülerhilfe erhielt
Für den Chef des Bundeskanzleramtes gehört es sich, dass man wenig von ihm hört. Er soll das Regieren des Kanzlers zu einer reibungslosen Angelegenheit machen, dabei aber selber kaum in Erscheinung treten.
Demokratie ist ja ein mühsamer Prozess: Beteiligt ist nicht nur das Volk, was die Sache ohnehin schon erheblich erschwert, beteiligt sind auch die Regierungsfraktionen und ein Beamtenapparat im Kanzleramt.
Man braucht also einen Macht-Manager. Und mit denen hat die Bundesrepublik nicht immer Glück gehabt.
Hans Globke, Adenauers Kanzleramtsminister von 1953 bis 1963, war ein sogenannter »furchtbarer Jurist« – er schrieb an den Rassengesetzen der Nazis mit.
Professor Horst Ehmke war ein furchtbarer Chaot: Brandts Kanzleramtsmanager galt als Typ, der hervorragend Probleme löste –
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