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Tyrann Aus Der Tiefe

Tyrann Aus Der Tiefe

Titel: Tyrann Aus Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vollends von den Füßen. Er fiel auf den Rücken, versuchte noch einmal, sich hochzustemmen, aber seine Kräfte versagten. Plötzlich krachte eine ganze Salve von Gewehrschüssen. Ich sah, wie der Boden rechts und links des Mannes aufspritzte.
    Endlich überwand ich meine Überraschung. Gleichzeitig mit Bannermann wirbelte ich herum, war mit einem Sprung bei den Männern, die uns bewachten, und schlug den ersten mit einem Fausthieb nieder. Ein zweiter versuchte, sein Gewehr hochzureißen und auf mich zu zielen. Ich schlug es ihm aus der Hand, schmetterte ihm den Ellbogen in den Leib und fing sein Gewehr auf, als er zusammenbrach. Neben mir schlug Bannermann mit einem zornigen Schrei gleich zwei seiner Bewacher nieder, entriss einem dritten die Waffe und schmetterte ihm den Kolben über den Schädel.
    Jemand schoss. Die Kugel schlug direkt neben meinen Füßen ein, aber der Mann kam nicht dazu, ein zweites Mal abzudrücken. Bannermann riss das erbeutete Gewehr an die Wange und drückte ab, ohne zu zielen. Eine der braungekleideten Gestalten auf der anderen Seite des Platzes stürzte mit einem Schrei zu Boden.
    Unter den Männern und Frauen brach Panik aus. Noch immer peitschten Schüsse durch die Nacht, aber sie waren nicht gezielt und bedeuteten kaum Gefahr mehr. Auch Bannermann schoss noch, aber ich sah, dass er über die Köpfe der Menge hinweg zielte.
    Der Platz schien sich in eine brodelnde Hölle zu verwandeln. Die Menge, vor einer Minute noch eine zu allem entschlossene Armee, verwandelte sich von einer Sekunde zur anderen in einen kopflosen Mob. Männer und Frauen rannten, trampelten sich gegenseitig nieder und ergriffen schreiend die Flucht. Ein paar von Donhills Anhängern, die vergeblich versuchten, dem Chaos Einhalt zu gebieten, wurden glattweg über den Haufen gerannt und verschwanden unter den Füßen der Fliehenden.
    Gehetzt sah ich mich um. Diejenigen unserer Bewacher, die unseren überraschenden Angriff überstanden hatten, hatten mittlerweile ebenfalls die Flucht ergriffen; es schien, als hätte man uns vollkommen vergessen. Niemand nahm mehr Notiz von uns.
    »Bannermann! Kümmern Sie sich um Ihre Männer!«, keuchte ich. »Wir treffen uns am Strand!«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, hetzte ich los, riss das Gewehr hoch und gab noch im Laufen ein paar Warnschüsse in die Luft ab. Das Geräusch ging beinahe im Schreien der Menge unter, aber die Schüsse verschafften mir trotzdem Luft. Die Reihe braungekleideter Gestalten flutete wie eine Welle vor mir zurück. Niemand schien noch daran zu denken, uns Widerstand zu leisten.
    Der Mann lebte noch, als ich neben ihm anlangte. Er musste von mindestens einem Dutzend Kugeln getroffen worden sein, aber er lebte. Sein Mantel war rot von Blut, aber seine Augen standen offen, und er schien mich zu erkennen. Ein leises, qualvolles Stöhnen kam über seine Lippen.
    »O’Banyon!«, sagte ich ungläubig. »Sie?!«
    »Ich … hab’s ihm gegeben«, stöhnte er. Seine Hand zuckte, krallte sich in meinen Mantel und fiel mit einer kraftlosen Bewegung wieder zurück. »Ist er … tot?«, flüsterte er.
    »Donhill?« Ich nickte. »Ja. Er ist tot.«
    Sein Gesicht zuckte, und trotzdem lief ein rasches, zufriedenes Lächeln über seine Züge. »Dann ist es … gut«, flüsterte er. »Er ist schuld, dass … dass Steve tot ist. Er … hat ihn umgebracht.«
    »Reden Sie nicht, O’Banyon«, sagte ich. »Sie dürfen nicht sprechen. Ich hole Ihnen einen Arzt.«
    »Das … hat keinen Sinn mehr«, antwortete der Sterbende. Sein Blick verschleierte sich, und plötzlich wurde sein Körper schlaff. Aber noch immer war Leben in ihm.
    »Hören Sie … zu, Craven«, flüsterte er. »Ich habe … eine Nachricht für … Sie.«
    »Eine Nachricht?«
    »Es gibt einen … einen dritten Magier«, murmelte er. Seine Stimme war kaum noch zu verstehen. »Sie müssen … fliehen. Gefahr … noch nicht … vorüber. Es gibt … dritten Magier …«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte ich. »Wovon reden Sie, O’Banyon? Welchen Magier? Wer hat Ihnen das gesagt?«
    O’Banyon antwortete nicht mehr. Er war tot.
    Sekundenlang blickte ich schweigend auf sein erschlafftes Gesicht herab. Dann hob ich die Hand, beugte mich vor und schloss ihm behutsam die Augen.
    »Ist er tot?«
    Ich sah auf, als ich Priscyllas Stimme vernahm. Sie war näher gekommen, ohne dass ich es gemerkt hatte. Ihr Gesicht wirkte erstaunlich gefasst, aber in ihren Augen war ein Brennen, das ich mir nicht erklären konnte.

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