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Tyrann Aus Der Tiefe

Tyrann Aus Der Tiefe

Titel: Tyrann Aus Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wahren Spießrutenlauf geworden. Priscylla hatte uns durch Seitenstraßen und Hinterhöfe geführt, auf Wegen, die ein nicht Einheimischer wahrscheinlich in hundert Jahren nicht gefunden hätte. Wir waren von Schatten zu Schatten gehuscht wie Verbrecher, hatten uns immer wieder mit angehaltenem Atem hinter Hausecken oder in Türen geduckt und für die erste halbe Meile fast eine Stunde gebraucht. Mein Herz hämmerte noch immer, und obwohl die unmittelbare Gefahr vorüber war – oder vielleicht auch gerade deshalb – zitterten meine Hände.
    Irgendetwas ging in der Stadt vor. Den Geräuschen nach zu urteilen, die wir gehört hatten, musste die gesamte Bevölkerung Goldspies auf den Beinen sein, obwohl es hart auf Mitternacht zuging, und ihr Ziel war der Marktplatz im Zentrum der Stadt.
    Hinter uns, dachte ich mit einer Spur von Erleichterung. Je weiter wir uns dem Stadtrand genähert hatten, desto weniger Menschen hatten wir gehört. Jetzt waren die Straßen so leer, dass wir es wagen konnten, ein wenig offener vorzugehen und die Bürgersteige zu benutzen, wenngleich wir uns weiterhin immer im Schatten der Häuser hielten. Priscylla hatte Bannermann und mir dunkle Mäntel ähnlich dem ihren gegeben, die wir über unsere Kleidung geworfen hatten, aber weder Bannermann noch ich rechneten ernsthaft damit, dass diese Tarnung mehr als einem flüchtigen Blick standhalten würde. Allein die Tatsache, dass wir uns nicht zum Stadtzentrum hin bewegten, musste uns verdächtig machen. Wenn wir auch nur einem Menschen begegneten, waren wir verloren.
    Priscylla blieb plötzlich stehen, hob die Hand und lauschte einen Moment mit geschlossenen Augen.
    »Was ist?«, fragte Bannermann besorgt.
    Priscylla brachte ihn mit einer unwilligen Geste zum Schweigen, schloss für zwei, drei Sekunden die Augen und fuhr mit einer abrupten Bewegung herum.
    »Jemand kommt!«, sagte sie. »Schnell weg hier!« Sie deutete auf eine Toreinfahrt, die wir vor wenigen Augenblicken passiert hatten, warf einen gehetzten Blick über die Schulter zurück und rannte los. Bannermann und ich folgten ihr. Unsere Schritte verursachten harte, klackende Echos auf dem harten Straßenpflaster, und für einen Moment bildete ich mir ein, der Lärm müsste bis zum anderen Ende der Stadt zu hören sein. Aber es waren nur wenige Schritte, und die Toreinfahrt war dunkel und groß genug, uns genügend Deckung zu geben. Hastig duckten wir uns neben Priscylla in den Schatten des künstlichen Gewölbes.
    Nach einer Weile hörte ich ebenfalls Schritte. Schnelle, schwere Schritte; die Schritte von Menschen, die es sehr eilig hatten. Ich strengte mich an, in der blaugrauen Dämmerung jenseits des Tores etwas zu erkennen, konnte aber nicht viel mehr als ein paar gedrungene, rasch ausschreitende Schatten wahrnehmen, die auf der anderen Straßenseite an unserem Versteck vorübergingen.
    Mit angehaltenem Atem wartete ich, bis sie vorbei waren und ihre Schritte wieder in der Nacht verklangen.
    Ein dumpfer, einzelner Trommelschlag wehte vom anderen Ende der Stadt zu uns herüber.
    »Was war das?«, flüsterte Bannermann.
    Priscylla sah ihn an, schüttelte irritiert den Kopf und stand auf. »Nichts«, sagte sie. »Nichts Wichtiges.«
    Bannermann knurrte, streckte blitzschnell die Hand aus und riss sie unsanft am Arm zurück. »Einen Moment, Kindchen«, murmelte er. »Bevor wir weitergehen, möchte ich ein paar Antworten von dir.«
    Priscylla versuchte ihren Arm loszureißen, aber Bannermann hielt sie unbarmherzig fest. Sein Griff musste ihr wehtun, und für einen winzigen Moment spürte ich ein Gefühl irrationalen Zornes in mir aufsteigen. Priscylla warf mir einen Hilfe suchenden Blick zu.
    »Sie tun ihr weh, Bannermann«, sagte ich, etwas lauter, als in unserer Lage vielleicht gut war.
    Bannermann knurrte etwas, das ich nicht verstand, lockerte aber seinen Griff um Priscyllas Handgelenk, ohne sie jedoch ganz loszulassen. Ich sagte nichts mehr. Alles, was ich wollte, war so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, aber ich konnte Bannermann auch verstehen. Seit wir das Haus verlassen hatten, hatten wir praktisch kein Wort mehr miteinander gesprochen. Und er spürte so deutlich wie ich, dass in dieser Stadt irgendetwas vorging.
    »Lassen Sie mich los, Captain«, sagte Priscylla flehend. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Eine Gelegenheit wie diese bekommen wir nie wieder.«
    »Eine Gelegenheit?«, hakte Bannermann nach. »Was für eine Gelegenheit?«
    Ein Schatten huschte über

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