Über das Verbrennen von Büchern (German Edition)
Nachfrage vorlag, nachgedruckt werden mussten, endlich sei die Freiheit des Geistes in Deutschland ausgebrochen!
Diese Spätbarden hatten Nerven! Und heute, nun sie mit Hilfe ihrer Freiheitslieder die Heimat in Grund und Boden gesungen haben, sitzen die damals Verfolgten beisammen und befragen ihr Gewissen, ob es wohl überhaupt und wie weit es richtig und gerecht sei, immerhin die schlimmsten Bücher der ärgsten jener Seelentrompeter zu verbieten! Man fühlt sich versucht, dem eigenen Gewissen ein paar Maulschellen anzutragen. Jene am leiblichen, am seelischen und am Berufstod so vieler Schriftsteller schuldigen Männer sind es nicht wert, dass man sich ihretwegen den Kopf und das Gewissen zerbricht.
*
Bevor ich in der Betrachtung der Briefe an Herrn Rassy aus Witten in der Röhrchenstraße 10 fortfahre, will ich ein kleines, nettes Berufsabenteuer aus dem Jahre 1933 zum Besten geben. Der Schutzverband deutscher Schriftsteller war aufgelöst und der RDS , ein entsprechender Reichsverband, war gegründet worden. Im Frühsommer galt es, den Vorstand der Organisation zu wählen. Der erste Versuch misslang, da sich die konservativen und die braunen Autoren rettungslos in die Haare gerieten. Ein neuer Termin wurde anberaumt. Erneut lud man zur Vorstandswahl im »Haus der Presse« am Berliner Tiergarten ein. Und eine der Einladungen erging auch an den Schriftsteller Erich Kästner, dessen Bücher verboten und am Opernplatz feierlich verbrannt worden waren. Ich besah mir den Brief von allen Seiten. Was konnte das heißen? Wollte man den einzigen »Verbrannten«, der nicht emigriert war, besonders ehren? Ich war Mitglied des Hauptvorstands des aufgelösten Schutzverbands gewesen. Hatte sich eine unerfahrene Sekretärin in der Kartei vergriffen? War es ein dummer Witz? Ich weiß heute noch nicht, welchem Anlass ich die Einladung zu verdanken hatte. Nun, ich bin ein höflicher Mensch. Ich ging hin.
Als ich den Sitzungssaal betrat, mich, hübsch für mich allein, an ein Tischchen setzte, mir ein Bier bestellte und mich dann umschaute, sah ich, das kann ich getrost sagen, ziemlich viele entgeisterte Gesichter auf mich gerichtet. Die »neuen Herren« in SA -Uniform, die als Majorität einen Riesentisch umsäumten, erkundigten sich bei nichtuniformierten, dienstälteren Kollegen, wer der Fremdling sei. Mein Name schwirrte in allen Flüsterstärken durch den Saal. Ich durfte mich als Erster in die Anwesenheitsliste eintragen, und mein Autogramm wurde an diesem Abend, während die Liste kursierte, so gründlich bestaunt wie nie vorher oder nachher.
Genug davon und zurück zur Vorstandswahl.
Fedor von Zobeltitz,
ein Kavalier alter Schule, präsidierte. Die Deutschnationalen brachten einen Wahlvorschlag ein, der ihre Mitgliederzahl im Wahlvorstand angemessen berücksichtigte. Vertreter des Parteitischs lehnten den Vorschlag brüsk ab und legten den ihrigen vor. Mit nicht gerade zarten Hinweisen darauf, dass er unumstößlich sei. Freiherr
von Grote
erhob sich und forderte energisch demokratische Methoden.
Wulf Bley, Hadamowsi
und die anderen totalitären Poeten widersprachen ausgesprochen laut. Der alte Herr von Zobeltitz versuchte wie ein Obersthofmeister zu vermitteln. Die Sänger der Saalschlachten wurden noch lebhafter. Einer von ihnen wies beleidigt darauf hin, dass man ja großzügigerweise zwei Vertreter der Reaktion auf die braune Liste gesetzt habe,
Hanns Martin Elster
und
Edgar von Schmidt-Pauli.
Nun wurde die Debatte noch unterhaltender. Sprecher der Konservativen verbaten es sich ganz entschieden, zwei Verräter ihrer Idee, zwei solche Überläufer, als ihre Vertreter bezeichnet zu hören. Elster habe in der Systemzeit seine Orden nicht getragen. Und gegen Schmidt-Pauli fielen noch härtere Vorwürfe. Es waren Worte darunter, die man sich nicht an den Hut zu stecken pflegt. Zobeltitz bat um Ruhe. Herr von Schmidt-Pauli lächelte verkniffen. Einer aus der deutschnationalen Gruppe sprang hoch, provozierte ihn fleißig weiter und schrie, als aber auch gar nichts helfen wollte, außer sich vor Empörung und Schneidigkeit: »Ich stehe Ihnen zur Verfügung!« Zobeltitz flehte um Ruhe. Die SA -Männer lachten rau und herzlich. Schmidt-Pauli erklärte, er pflege sich nur zu duellieren, wenn es ihm passe. Die Gruppe Grote stand im Chor auf und war überhaupt außer sich über so viel Bosheit und so wenig Kinderstube. Es hagelte Beleidigungen. Zobeltitz schien, nach seinen Mundbewegungen zu urteilen, um Ruhe zu bitten. Die
Weitere Kostenlose Bücher