Ueber den Horizont hinaus - Band 1
garantierten angenehmen Klimas verwirklichten. Wenn auch nur für ein paar Wochen, oder auch wenige Tage.
Tatsächlich glaubte er inzwischen, dass eines der Geheimnisse der Anziehungskraft tropischer Urlaube in der begrenzten Zeit lag. Denn alleine sich vorzustellen, Monate, vielleicht Jahre hier zu verbringen, war unvorstellbar. Mehr noch, er befürchtete, dass der Traum sich in diesem Fall in einen Albtraum verwandelte.
Es war eine Sache, mit trüben Gedanken im Schwimmbecken zu hängen, eine andere, wenn man trotz der Hitze, der Schwüle, der immer gleich bleibenden Temperatur gezwungen war, einer Tätigkeit nachzugehen, vielleicht sogar seinen Lebensunterhalt verdienen musste. Nicht ausschlafen zu dürfen, sondern sich in die Vertikale zu quälen, von Schatten zu Schatten zu hetzen, ohne Kühlung zu finden.
Vincent fuhr sich durch das aschblonde Haar, das längst wieder einen Schnitt vertragen konnte. Er war sich sicher, dass es auch hier Baustellen gab. Doch beim besten Willen konnte er sich nicht vorstellen, dass jemand fähig war, einen Stein auf den anderen zu setzen, Messungen anzustellen, Berechnungen und schlichtweg gute Arbeit zu leisten, während ihm das Gehirn in der Sonne schmolz. Dabei liebte er es für gewöhnlich, dabei mitzuhelfen, ein Gebäude zu errichten, etwas Neues zu schaffen, mit seinen Händen und seiner Kraft eine Spur zu hinterlassen, die noch lange sichtbar sein würde. Selten unterlief ihm ein Fehler, er kannte sich aus mit Konstruktion und Statik, korrigierte rechtzeitig, nahm seine Tätigkeit ernst. Aber der bloße Gedanke, auf dieser Insel ein Haus zu errichten, ermüdete ihn. Auch wenn seine Augen weit genug geöffnet waren, um zu begreifen, dass genau das fehlte. Feste, sichere Häuser. Gebäude, die Stürme ertrügen, Monsun, vielleicht Überschwemmungen. Die Klimaanlagen enthielten, Komfort boten und Lebensqualität.
Nicht die Hütten, die er von weitem gesehen hatte. Vor denen Kinder in ihrem Spiel innehielten, um dem Bus zuzujubeln, der die Touristen vom Flughafen in zu den Strandwohnungen kutschierte. Kinder, die nie einen Fuß in die abgeschottete Ferienanlage setzten. Ebenso wenig wie in den Ozean, letzteres der Beweis für ihre Klugheit. Oh ja, Vincent hatte andere gesehen, genauer Touristen, die sich in Schmerzen wanden, die schnell und diskret abtransportiert wurden, ausgeflogen mit einem Hubschrauber, der für diese Fälle bereitstand. Für Gäste, die nicht begriffen, dass der Ozean kein Schwimmbad war.
All das hob nicht unbedingt seine Laune. Ja, er musste es zugeben, er war frustriert. Trotz Sonne, Meer, Strand und Palmen verdunkelte sich sein Gemüt mit jedem Tag. Und auch sonst – das gestand er sich selbst gelegentlich ein – glich er nicht unbedingt einem Sonnenschein. Aber letztendlich hatte er doch erwartet, wenigstens in seinem Urlaub die ständige schlechte Stimmung beiseitelegen zu können. Doch so war das wohl mit den langgehegten Wünschen, mit Träumen, die am Leben und in Gang hielten. Manchmal zerplatzten sie wie Seifenblasen oder schlimmer noch - stellten sich als leere Fantasiegebilde heraus, die mit der Realität nicht Schritt halten konnten.
Vincent seufzte und gab dem Bedürfnis nach, sich aus der Hitze in die klimatisierte Hotelhalle zu begeben. Sein Weg führte ihn am Restaurant- und Wellness-Bereich vorbei und umgehend zur Bar, die bereits mittags öffnete. Als er auf die Uhr sah, war die Cocktailstunde längst erreicht, auch wenn die Sonne noch keine Anstalten unternahm, zu sinken. Ein weiterer Punkt auf seiner Liste der Gründe, warum ihm dieser Urlaub aufs Gemüt schlug. Wer hielt es schon aus, praktisch den größten Teil des Tages in grellem Licht zu verbringen.
Er schob die Sonnenbrille in sein Haar, rieb sich die juckenden Augen, setzte sich auf den Barhocker und betrachtete die Flaschen. Die meisten Aufschriften waren ihm unbekannt und auf klassische Importware hatte er keine Lust. Kanadischen Whiskey konnte er auch zuhause trinken.
"Überraschen Sie mich", sagte er, ohne den Barkeeper anzusehen.
Der war die Aufforderung offensichtlich gewohnt, denn er begann umgehend damit, Flaschen zu schwenken, Eiswürfel zum Klappern zu bringen und einen silbernen Cocktailshaker kunstfertig zu bedienen.
Was er dann in das hohe Glas kippte, spiegelte die Farbe des Meeres. Eine Scheibe Ananas am Rand vervollständigte das Bild.
Vincent - eher der unkomplizierte Trinker - begutachtete das Werk skeptisch, schnupperte daran, bevor
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