Ueber den Horizont hinaus - Band 1
und Zugereisten."
"Stimmt wohl", gab Vincent zu. "Vielleicht stellt man sich nur vor, dass die Toleranz extremen Temperaturen gegenüber angeboren und somit höher oder entsprechend niedriger ist. Weil es so einfacher ist und man nicht mehr darüber nachdenkt. Aber letztendlich sind die Unterschiede wohl doch nicht so groß."
"Wer weiß? Auf jeden Fall muss sich jeder überwinden", murmelte Eduard. "Ob du nun auf der Insel geboren bist, oder im hohen Norden, in diese Art schwüler Hitze begeben sich die Wenigsten gerne. Vor allem in den Zeiten, in denen stechwütige Insekten ihr Unwesen treiben."
Vincent verdrehte die Augen. "An die hab ich gar nicht gedacht."
Eduard lachte leicht. "Das liegt daran, dass auf dem Gelände hier überall Fallen stehen. Mit manchen Gerüchen lassen sie sich auch verjagen, wenngleich das weniger sicher ist, als elektronische Fallen oder Lockstoffe."
Vincent rieb sich über das Gesicht. "Alles klar. Ehrlich gesagt überzeugt mich das alles nur noch mehr davon, in der Anlage zu bleiben." Er wich dem Blick seines Gegenübers aus. "Auch wenn ich nicht stolz darauf bin. Ich habe nicht einmal geahnt, dass ich eine solche Panik schiebe. Vor Malaria, Vergiftungen, weißen Haien ..."
Nun lachte Eduard lauter. "Mit Haien ist hier nicht viel los, das kann ich dir versichern."
Vincent beäugte ihn skeptisch. "Werden die nicht auch irgendwie abgehalten, verjagt, keine Ahnung?"
Eduard schüttelte immer noch lachend den Kopf. "Nicht hier. Da musst du eine andere Insel im Auge haben."
Vincent blinzelte. "Aber niemand geht hier schwimmen. Wie ist das mit den Kindern? Kinder spielen doch gerne im Wasser?"
Eduard wurde ernst, schüttelte wieder den Kopf. "Wir brauchen keine Haie, um unseren Kindern zu erklären, dass es gefährlich ist, ins Wasser zu gehen. Aber es gibt Buchten, an denen gefischt wird. Allerdings nicht in der Nähe der Gäste. Die bestehen auf den ungestörten Meeresblick. Der sollte nicht vom Anblick der Menschen getrübt werden, die arbeiten."
Vincent runzelte die Stirn, sah sich um. "Ich sehe hier aber genug Leute arbeiten, Anwesende eingeschlossen."
Eduard zuckte mit den Schultern. "Personal zählt nicht. Wir existieren, um den Aufenthalt zu erleichtern. Inselbewohner erfüllen keinen Zweck."
"Na ich weiß nicht recht." Vincent verzog den Mund und Eduard senkte den Blick. "Und ich sollte nicht so reden", gab er zu. "Vor allem nicht einem Gast gegenüber." Er atmete aus. "Keine Ahnung, was heute mit mir los ist. Aber eine Beschwerde könnte ich Ihnen nicht übelnehmen."
"Beschwerde?" Vincent verschluckte sich an seinem Getränk. "Um Himmels willen, fällt mir nicht ein. Seine Meinung wird man wohl noch äußern dürfen."
Eduard hob vorsichtig den Blick, lächelte entschuldigend. "Passiert mir sonst nicht. Entweder steht ein Sturm bevor oder irgendetwas an Ihnen löst meine Zunge."
Vincent biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu lachen. "Ich hoffe nicht, dass ich eine zungenlösende Wirkung verbreite. Das erinnert mich an Foltermethoden aus Wildwest Filmen."
"An was?" Eduard runzelte die Stirn. "Wie auch immer." Er lehnte sich ein klein wenig vor. "Ich vermute ohnehin, dass es ein Sturm sein wird."
Vincent hob die Augenbrauen. "Dann ändert sich das Wetter hier doch? Ich dachte, es bliebe das Jahr über sonnig und heiß."
Eduard schüttelte den Kopf. "Während des Monsuns wird lediglich die Anlage geschlossen. Zu dieser Jahreszeit gibt es lediglich Schauer, schneller vorbei als sie begonnen haben. Trotzdem ist es besser, man kann sich für den Moment unterstellen."
"Interessant." Vincent nahm einen weiteren Schluck, fühlte Eduards Augen auf sich.
"Was ist los?", fragte er und Eduard senkte rasch den Blick. "Nichts", murmelte er.
"Hm." Vincent starrte ihn nun seinerseits an, fuhr mit den Fingern über das beschlagene Glas vor ihm. "Sie haben mich am Strand gesehen. Ich löse Ihre Zunge. Sie haben mir einiges voraus."
Er sah zu, wie Eduard den Kopf tiefer senkte, ihm weitere, lange Strähnen ins Gesicht fielen, in weichen Wellen über die Haut glitten.
Eduard nahm ein Tuch und ein Glas, begann es zu polieren. Schließlich zuckte es um seinen Mundwinkel. "Es liegt wohl daran, dass Sie anders sind. Anders als die üblichen Touristen, die ich gewohnt bin."
"Weil ich allein hier bin", stellte Vincent fest.
Nun sah Eduard doch auf. "Das ist es nicht." Er presste kurz die Lippen zusammen. "Auch wenn wir keine Adresse für Single-Urlaub sind, kommt es doch vor, dass
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