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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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die Watschitschun mit solchem Verrat bezaubert, eine große Büffelherde zu den hungernden Söhnen der Großen Bärin zu jagen. Er hatte damit die Ränke der Weißen auf Mattotaupa, den Hüter des Goldgeheimnisses, gelenkt. Die Büffel waren gekommen, und Hawandschitas Macht und Ansehen hatte sich von neuem gefestigt. Mattotaupa aber war überlistet, verraten, von Hawandschita verbannt worden und schließlich dem Messer des Red Fox elend zum Opfer gefallen.
    Hawandschita, der Alte, dachte daran und wollte zusammensinken wie der letzte Funke in der Feuerstelle, aber sein grausam gehärteter und endlich grausam gewordener Wille richtete sich noch einmal auf, gegen alle und auch gegen sich selbst. Er sollte zaubern, er mußte zaubern, er wollte zaubern; vernichten würde er sie alle, die an ihm zweifelten, und auch die, die ihn herausgefordert hatten. Noch einmal sollten ihm die Feinde, die Watschitschun, zu Diensten sein. Er sprach vernehmlich zu sich selbst und zu den Geistern, an die er glaubte:
    »Kommt – Geister,
    ich kenne euch.
    Ihr habt mich verlassen -
    aber ich zwinge euch zurückzukehren.
    In die Hände und Hirne jener Männer seid ihr gekrochen,
    die viele Geheimnisse kennen und lange Messer haben.
    Kommt wieder hervor, ich kann euch zwingen.
    Ein großer Watschitschun hat euch in meine Macht zurückgegeben.
    Ja, ich tue es,
    und sie alle,
    die mir widerstehen,
    werden sterben müssen.«
    Hawandschita holte seine Trommel wieder heran, und mit seinen abgemagerten Händen schlug er einen unheimlichen Rhythmus. Die Trommelschläge drangen aus dem Zelt hinaus zu den Männern, Frauen und Kindern. Keiner hörte darauf, solange das Feuer hell für Tokei-ihto flammte.
    Aber als die Flammen sanken und die Schatten sich auch über den glühenden Aschenhaufen legten, da begann einer nach dem anderen zu lauschen. Die Schultern duckten sich, und die Knaben und Mädchen hielten ängstlich die Hand vor den Mund. Scheue Blicke flogen dabei zu den gefleckten Büffeln. Einer nach dem anderen ging wieder über den plätschernden Bach hinüber, vom Vieh weg zu den Zelten.
    Tschetansapa aber begab sich jetzt auf die Seite der Viehherde und gesellte sich zu seinen Söhnen, zu Adams, zu Theo und Thomas, zu Tschapa und zu den Frauen, die für ein neues Leben einstehen wollten. »Hawandschita brütet Unheil«, sagte er gepreßt. »Er kann den Büffeltraum nicht mehr träumen.«
    Als letzter kam der Delaware über den Bach herüber. Er ging langsam, als ob er Gewichte an den Füßen trug. Die Bärenknaben glaubten, daß es dem Mann, der seit seinem vierzehnten Jahr als Kundschafter ein unstetes Leben führte, nun doch schwerfallen mochte, als Rancher ansässig zu werden. Aber es zeigte sich, daß sein gedrücktes Wesen einen anderen Grund hatte, den die Bärenknaben nicht ahnen konnten.
    Chef de Loup blieb nahe dem Ufer, noch etwas entfernt von seinen Freunden, stehen. In diesem Augenblick öffnete sich drüben das Zauberzelt, und Hawandschita stürmte hervor. Obwohl die Männer und Knaben den Zauberer bei seinen Geistertänzen kannten, glaubten sie, ihn heute wieder wie das erstemal zu sehen, so wild und drohend tanzte seine mit vielen Zauberzeichen verhangene Gestalt durch die Finsternis heran.
    Von dem Menschen selbst war nichts mehr zu erkennen als die Schatten der Füße. Ein Bärenfell mit Bärenschädel hing über Kopf und Schultern. Schlangenhäute, Federn, Vogelbälge waren daran befestigt und wirbelten und klapperten in dem Tanz, der mit heftigen Bewegungen und dumpfen, unverständlichen Tönen das Menschliche überhaupt vergessen ließ und eine unheimliche Angst vor Unbekanntem, Tierischem und Geisterhaftem hervorrief.
    Im Kreis tanzte der Zauberer und rief Unheil. Unheil hatten ihm die Geister im Zelt verkündet. Unheil drohte den Bärensöhnen. Tiefes Schweigen war rings um ihn. In der Asche des Scheiterhaufens verglommen die letzten Funken, und die Finsternis war vollständig. Das Vieh erhob sich unruhig, aufgeschreckt durch die Kehltöne des Zauberers, die hin und wieder von einem grellen Schrei unterbrochen wurden. Immer näher kam der Geistertänzer dem Bach.
    Chef de Loup war wie angewurzelt stehengeblieben. Er stand noch immer beim Bach, allein, einige Meter entfernt von der Gruppe Tschetansapa, bei der sich der Biber und die Bärenknaben mit Ihasapa befanden. Es schien, als ob der Zauberer es auf den Delawaren abgesehen habe. Immer wieder zeigte die lange Zauberstange, die der Tänzer in der Hand hielt, auf Chef

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