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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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und Tschaskes Denken und Fühlen wirbelte und wogte es bei dem dumpfen Singen und Stampfen.
    Bei den Knaben stand auf einmal der Delaware.
    »Die Toten und die Büffel kehren niemals zurück … So sagte Tokei-ihto«, sprach er zu Hapedah und Tschaske.
    Die Bärenknaben rafften sich zusammen.
    Es ging schon dem Abend zu, der erste Stern leuchtete auf. Tokei-ihto! Der Name war wieder lebendig geworden.
    »Tokei-ihto muß kommen«, sagte Tschaske mit heißen Wangen und noch zitternd unter dem Eindruck des Büffeltanzes. »Wir müssen unserem Häuptling ein Zeichen geben, das bis zum Mini-Sose zu sehen ist. Tokei- ihto muß wissen, daß wir hier sind, er muß wissen, was geschieht.«
    »Hau!« Hapedah sprang auf, Tschaske mit ihm, und die beiden Jungen liefen über den Bach zu ihrem Vater hinüber.
    Tschetansapa war von dem Büffeltanz der letzten Stunden erschöpft; er hatte sich ablösen lassen und stand zusammen mit Tschapa bei seinem eigenen Zelt.
    »Wir müssen Tokei-ihto ein Zeichen geben«, sagten ihm seine Söhne Hapedah und Tschaske, als er ihnen die Erlaubnis gegeben hatte zu sprechen.
    Tschetansapa antwortete nicht schnell mit Ja oder Nein. Seit den Erlebnissen in den Black Hills galten die Bärenknaben selbst als eine Art von Geheimnis. Man durfte ihre Worte nicht einfach in den Wind schlagen. Der Krieger schaute hinüber über das Ufer, wo sich das Bärenjunge tummelte. Sitopanaki und Uinonah brachten ihm eben zu fressen.
    »Gut«, entschied Tschetansapa. »Alle, die nicht im Büffellied tanzen, mögen sich zusammenfinden und ein großes Feuer anzünden, das bis jenseits des Mini-Sose zu sehen ist. Unser Häuptling befindet sich im Ring der Feinde. Er soll erfahren, daß wir über die Grenze gezogen sind und daß er seinen Feinden entfliehen und zu uns eilen soll, wenn …« Tschetansapa brach ab. Er wollte nicht von der Möglichkeit sprechen, daß Tokei-ihto von den Feinden getötet worden sei. »Holt also Holz, viel Holz!« befahl er. Hapedah und Tschaske liefen und riefen alle Knaben vom Bund der Jungen Hunde zusammen, und sie riefen auch Blitzwolke, deren Freundin Eidechse und die anderen Mädchen. Alle sollten Holz herbeischleppen und zerkleinern. Die jungen Burschen vom Bund der Roten Feder, dem Ihasapa vorstand, hielten es nicht unter ihrer Würde zu helfen. »Für Tokei-ihto ein Zeichen!« Das war die Losung, die sie vereinte.
    Unbeachtet wurde von den Holzsammlern das Bachufer überschritten, übersprungen; keiner dachte mehr daran, sich vom anderen fernzuhalten. Im Wald krachten die Beilhiebe, um alte und verdorrte Stämme zu zerkleinern, dürre Äste wurden herbeigeschleppt. Adams, Thomas und Theo beteiligten sich auch an der Arbeit, als sie gehört hatten, worum es sich handelte. Adams mit seiner großen Zimmereraxt schaffte am meisten. Einen Haufen Scheite schichtete er auf.
    Als genug Holz beisammen war, entzündete Tschetansapa den Scheiterhaufen, und die Flammen loderten schon bald, angefacht vom leisen Nachtwind. Es wurde ein mächtiges Feuer, ein Freudenfeuer der Geretteten, ein Ruf für den Häuptling. Die Flammen leckten gelb und rot in die nächtliche Dunkelheit hinein, der Wind blies, das Vieh rührte sich. Im Bach spiegelte sich die flackernde Helligkeit.
    Mehr und mehr der Büffeltänzer ließen sich ablösen, um zu dem Feuer zu kommen. Als nur noch die beiden Ratsmänner, die im Zelt Hawandschitas gegen Tokei-ihto gesprochen hatten, geblieben waren, brach Hawandschita den Kulttanz ab. Er entließ die beiden Männer und zog sich in sein Zauberzelt zurück. »Ich hole stärkeren Zauber«, sagte er dabei leise und drohend. »Die stinkenden gefleckten Büffel müssen weg; sie verwirren den Sinn unserer Männer und unserer Geister. Wir müssen sie vertreiben, dann kommen die Büffel wieder, hau.«
    Hawandschita schlüpfte in sein Tipi.
    Allein stand er nun in seinem dunklen Zauberzelt. Nur wenige Funken glühten noch in der Feuerstelle. Ihm war zumute, als ob er selbst das Feuer sei, das mit einem letzten Schein verglimme. Die Männer hatten ihn verlassen. Vom Büffeltanz waren sie weggelaufen. Das war noch nie geschehen.
    Eine Welt ging unter. – Hawandschita war sich in diesem Augenblick des Alleinseins bewußt, daß auch er Schuld an dem harten Geschick des Häuptlings- geschlechtes und der Bärenbande trug. Einst hatte ihm Tokei-ihto am Pfahl unter Martern ins Gesicht gesagt: »Du bist es, der die Watschitschun zuerst von unserem Gold wissen ließ.«
    Ja, er war es gewesen; er hatte

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