Krieg der Seelen: Roman (German Edition)
1
D iese Frau könnte ein Problem werden.«
Sie hörte einen von ihnen dies sagen, nur etwa zehn Meter entfernt in der Dunkelheit. Hinter der Furcht, dem Entsetzen darüber, gejagt zu werden, prickelten Aufregung und fast so etwas wie Triumph, als sie begriff, dass über sie gesprochen wurde. Ja, dachte sie, ich könnte nicht nur ein Problem für euch werden, ich bin es bereits geworden. Und die Männer waren auch besorgt– während der Jagd erlebten die Jäger ihre eigene Furcht. Zumindest einer von ihnen. Der Mann, der die Worte gesprochen hatte, hieß Jasken. Veppers’ wichtigster Leibwächter und Sicherheitschef. Jasken. Natürlich. Wer sonst?
» Das glauben Sie, nicht wahr?«, ertönte die Stimme eines zweiten Mannes. Das war Veppers. Etwas in ihr schien zu erstarren, als sie seine tiefe, perfekt modulierte Stimme hörte, jetzt kaum mehr als ein Flüstern. » Andererseits… Sie sind alle problematisch.« Er klang außer Atem. » Können Sie damit irgendetwas sehen?« Vermutlich meinte er Jaskens Erweiternde Okulinsen, ein außerordentlich teures Stück Hardware, das wie eine dicke Sonnenbrille aussah. Sie machten die Nacht zum Tag, zeigten ihrem Benutzer angeblich sogar Wärme und Radiowellen. Jasken trug sie oft, aus Angeberei, wie sie geglaubt hatte. Aber vielleicht verriet er damit eine tief in ihm verwurzelte Unsicherheit. So wundervoll die Brille auch sein mochte, noch hatte sie Jasken nicht dabei geholfen, sie wieder Veppers’ sorgfältig manikürten Händen auszuliefern.
Sie stand, ganz dicht, an einem Bühnenbild. Bevor sie sich dagegen gedrückt hatte, gerade eben, hatte sie es in der Düsternis als mit dunklen und hellen Farben bemalte Leinwand erkannt, war aber zu nahe gewesen, um Einzelheiten zu sehen. Sie neigte den Kopf ein wenig nach vorn und wagte einen Blick nach unten und nach links, dorthin, wo die beiden Männer standen: auf einem Gerüst, das aus der Nordwand des Bühnenhauses ragte. Dort nahm sie zwei schemenhafte Gestalten wahr, eine von ihnen hatte etwas in der Hand, das ein Gewehr sein mochte. Sie konnte nicht sicher sein. Im Gegensatz zu Jasken blieb sie auf ihre Augen angewiesen.
Sie atmete flach und gleichmäßig und brachte, um nicht gesehen zu werden, den Kopf mit einer schnellen, aber glatten Bewegung nach hinten. Vorsichtig reckte sie den Hals, ballte die Fäuste und streckte die Finger wieder. Ihre Beine schmerzten bereits.
Sie stand, unten am Bühnenbild, auf einer schmalen hölzernen Leiste, die etwas schmaler war als ihre Schuhe. Um das Gleichgewicht zu wahren, musste sie mit gespreizten Füßen stehen, mit Zehen, die in entgegengesetzte Richtungen wiesen. Zwanzig Meter unter ihr, in Dunkelheit verborgen, erstreckte sich der Bereich hinter der Bühne des großen Opernhauses. Wenn sie fiel, prallte sie auf dem Weg nach unten vermutlich gegen andere Gerüste.
Über ihr, in Düsternis gehüllt, ragten der Rest des Bühnenhauses und das riesige Karussell auf, das weiter hinten alle Kulissen für die Aufführungen hielt. Ganz langsam schob sie sich über die Leiste, fort von den beiden Männern auf dem Nordwandgerüst. Ihre linke Ferse schmerzte noch immer dort, wo sie vor einigen Tagen das Tracer-Implantat herausgeholt hatte.
» Sulbazghi?«, hörte sie Veppers sagen, mit gedämpfter Stimme. Er und Jasken hatten leise miteinander gesprochen; jetzt verwendeten sie vermutlich Funk oder dergleichen. Eine Antwort von Dr. Sulbazghi hörte sie nicht; wahrscheinlich benutzte Jasken einen Ohrhörer. Vielleicht galt das auch für Veppers, obwohl er nur selten ein Phon oder andere Kommunikationsgeräte trug.
Veppers, Jasken und Dr. S. Sie fragte sich, wie viele Männer sonst noch an der Suche beteiligt waren, außer diesen dreien. Veppers hatte Wächter unter seinem Kommando, ein ganzes Gefolge von Dienern, Helfern und anderen Leuten, die er für eine solche Suche rekrutieren konnte. Außerdem hatte das Opernhaus einen eigenen Sicherheitsdienst – immerhin gehörte es Veppers. Und Veppers’ guter Freund, der Polizeichef, würde ihm weitere Leute leihen, in dem unwahrscheinlichen Fall, dass seine eigenen nicht genügten. Sie schob sich weiter über die schmale Leiste.
» An der Nordseite«, hörte sie Veppers nach einigen Momenten sagen. » Hier sind einige bukolische und landschaftliche Szenenbilder zu bewundern. Keine Spur von unserem kleinen illustrierten Mädchen.« Er seufzte. Theatralisch, dachte sie, was wenigstens angemessen war. » Lededje?«, rief er plötzlich.
Es
Weitere Kostenlose Bücher