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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Feigling! Meinst du, ich habe meine Augen nicht überall? Du wirst mich noch kennenlernen, du Jüngelchen! Reitet hinter uns her wie ein Clown im Zirkus, und wenn er schon einmal die Flinte hebt und schießt, so zielt er haargenau auf seinen Häuptling, den Schonka. So eine schwachsinnige Rübe! He! Hast du gehört!«
    »Hau, ich habe die Worte des großen weißen Mannes vernommen!«
    Tschetansapa sprach leise, um den fremden Klang seiner Stimme nicht deutlich werden zu lassen.
    »Spare dir deine Redensarten! Ich weiß selber, was ich bin, und daß du dumm und faul und feige bist, weiß ich auch! Aber bilde dir nur nicht ein, daß du damit bei mir auf die Dauer Glück hast! Wenn du schon nicht kämpfen wolltest, wirst du jetzt Wache schieben, verstanden, und das nächste Mal gibt es Hiebe! Du übernimmst die Wache bei den Pferden; Augen und Ohren hast du ja, nicht einmal schlechte, und Gehirn brauchst du dafür nicht, also los, vorwärts! Bringe deine elende Mähre in die Koppel und stelle dich auf. Du bist auf Posten für den Rest der Nacht. Zwei deiner roten Brüder bekommst du zur Gesellschaft.«
    »Hau, ich gehe auf Wache. Der große weiße Mann mag mir aber vorher meinen Zylinder wiedergeben.«
    »Himmeldonnerwetter, halte deine Schnauze, du Possenreißer. Von Respekt, den du mir schuldig bist, dämmert dir kein Schimmer, wie? Du dreckstinkender Pudel! Da – und nun ab mit dir und deinem Zylinderhut!«
    Tschetansapa versuchte den Zylinder, der durch den Durchschlag einer Flintenkugel und die rauhe Behandlung in den Händen des Capt’n seine geziemende Form verloren hatte, wieder zurechtzustreichen. Er hatte zum erstenmal in seinem Leben einen solchen Gegenstand in der Hand. Als die Röhre wieder gebrauchsfertig geworden war, stülpte er sie sorgfältig auf, zog sie tief in die Stirn und stolzierte ab. Mit langgestrecktem Kopf folgte ihm sein Gaul am Zügel.
    Der Dakota gab das Tier innerhalb der Koppel frei und legte die Stangen auf, die den Eingang verschlossen.
    Roach trat noch einmal von außen heran.
    »Paß scharf auf und schlafe nicht«, ermahnte er den vermeintlichen Tatokano. »Wir sind am Feind und müssen vorsichtig sein.«
    Tschetansapa war derselben Meinung.
    Der Befehlshaber entfernte sich, und der Dakota war zunächst sich selbst überlassen. Er begann seine Wachtätigkeit damit, daß er kreuz und quer zwischen den Pferden umherging und alle Tiere besichtigte, so gut das in der Finsternis möglich war. Der Schimmel des Capt’n befand sich zu seinem Erstaunen und seiner Freude in der Koppel.
    Als Tschetansapa mit seinen Vorbereitungen so weit gediehen war und die Pferde zu weiden oder zu schlafen anfingen, erschienen die beiden Dakota, die mit ihm zusammen die Pferdewache versehen sollten. Schwarzfalke hatte es so eingerichtet, daß er in der Nähe des schon wieder geöffneten Koppeleingangs stand, als sie herankamen. Er versteckte sich zwischen den Pferden, so daß die beiden beim Herankommen nur seinen Zylinder sehen konnten. Der eine bedeutete dem vermeintlichen Tatokano durch eine kurzen Zuruf, daß er am Eingang zu bleiben habe und daß die neuen Wachen sich die anderen Wachplätze aussuchen würden. Das taten sie auch, und Tschetansapa blieb vorn an der Koppel allein.
    Er überlegte. Wenn er nur gewußt hätte, wo Chef de Loup mit seinen Leuten steckte. Er war überzeugt, daß sich auf alle Fälle der eine oder andere von ihnen in der Nähe der Pferdeherde aufhielt. Er mußte versuchen, mit ihnen in Verbindung zu treten. In Gedanken wiederholte er die verabredeten Signale. Hier, wo er sich jetzt befand, war Hundebellen am Platz. Das konnte nicht auffallen; die Meute der Schwarzfüße war noch nicht ganz zur Ruhe gekommen. Tschetansapa verkroch sich zwischen den vordersten Pferden und bellte wie ein Hund, der sich verlaufen hatte. Dann ließ er sich am Zaun nieder und wartete.
    Es dauerte nicht lange, da kläffte ein Kojote. Die Hunde der Schwarzfüße gaben zornig Antwort, beruhigten sich aber bald wieder, da der Kojote nichts mehr von sich hören ließ. Den Geruch eines Kojoten konnten die Hunde auch nicht spüren, nahm Tschetansapa an. Dieser Kojote roch höchst menschlich, hoffte er.
    Der Dakota schwang sich mit einer kurz angesetzten Flanke über den Zaun hinweg. Langsam schlenderte er in Richtung des Kojotengekläffs, das er gehört hatte. Er nahm dabei die Haltung eines Mannes ein, der etwas Verdächtiges bemerkt hat und danach sucht. Dieses Verhalten konnten die beiden anderen Posten

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