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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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vorhin im Ort, hast du davon schon gehört? Sie hat allen Leuten erzählt, daß sie uns das Horoskop gestellt hat, und keiner wird die Reise zu der neuen Insel überleben. Nicht ein Mensch, hat sie gesagt. Einige werden auf See zugrundegehen, und die übrigen werden glatt über den Rand der Welt hinaussegeln und im Himmel landen.«
    »Das war Schwester Thecla, nehme ich an. Sie behauptet, daß sie das Zweite Gesicht hat.«
    »Und? Stimmt es?«
    »Sie hat mir mal mein Horoskop gestellt, vor langer Zeit, vor Gründung der Schwesternschaft, als sie sich noch herabließ, mit Männern zu sprechen. Damals sagte sie, ich würde bis in ein reifes hohes Alter ein glückliches erfülltes Leben führen. Und jetzt sagt sie, wir gehen alle zugrunde. Also muß eins von diesen beiden Horoskopen falsch sein, meinst du nicht auch? So, und jetzt mach mal den Mund auf, ich will mir mal deinen Hals und Kehlkopf anschauen.«
    »Vielleicht hat aber Schwester Thecla gemeint, daß du zu denen gehörst, die direkt in den Himmel segeln werden?«
    »Schwester Thecla ist keine besonders zuverlässige Informationsquelle«, sagte Lawler. »Um es drastisch zu sagen: Schwester Thecla ist eine psychisch ernstlich gestörte Person - Mund auf!«
    Er schaute ihr in den Rachen. Er sah dort eine leichte Gewebsreizung, weiter nichts Besonderes, eben was man so als Folge eines gelegentlichen psychosomatischen Hustens erwarten durfte.
    »Wenn Delagard wüßte, wie man in den Himmel fährt, der hätte das längst getan«, sagte er. »Er hätte längst einen Pendelverkehr mit Fährschiffen eingerichtet. Und die frommen Schwestern hätte er längst dorthin verfrachtet. Und was deinen Hals angeht, so ist das immer noch das gleiche wie anfangs. Spannungen, nervöser Reizhusten. Versuch eben, dich mehr zu entspannen. Dich beispielsweise von Schwestern fernzuhalten, die dir deine Zukunft weissagen wollen, wäre eine gute Idee.«
    Sundira lächelte. »Ach, diese armen törichten Weiber. Sie tun mir leid.« Obgleich die Konsultation beendet war, machte sie keine Anstalten zu gehen. Sie ging vielmehr zu dem Bord, auf dem er seine kleine Kollektion von irdischen Artefakten aufbewahrte, und betrachtete sie eine Weile lang intensiv. »Du hast versprochen, daß du mir sagst, woher diese Sachen stammen.«
    Er trat neben sie. »Das Metallfigürchen ist am ältesten. Es ist ein Gott, den man in einem Land namens Ägypten verehrte. Vor vielen tausend Jahren. Ägypten war ein Land an einem großen Fluß, eines der ältesten Länder auf der ERDE überhaupt, in denen die Zivilisation entstand. Er ist entweder der Sonnengott oder der Gott des Todes. Oder beides. Ich bin mir da nicht sicher.«
    »Beides? Wie kann der Gott der Sonne auch der des Todes sein? Die Sonne ist die Quelle des Lebens, sie ist hell und warm. Der Tod, der ist etwas Düsteres, Dunkles. Er ist...« Sie stockte. »Aber die Sonne der ERDE war auch todbringend, nicht wahr? Willst du damit sagen, daß sie das in diesem Land namens Ägypten gewußt haben, Tausende von Jahren, bevor es wirklich geschehen ist?«
    »Das bezweifle ich stark. Aber die Sonne stirbt jeden Abend. Und sie wird am nächsten Morgen wiedergeboren. Vielleicht liegt hier der Zusammenhang.« Oder auch nicht. Er stellte bloße Vermutungen an. Er wußte doch so wenig.
    Sie nahm das kleine Bronzefigürchen auf und wog es in der flachen Hand, wie um das Gewicht abzuschätzen.
    »Viertausend Jahre. Ich kann mir viertausend Jahre einfach nicht vorstellen.«
    Lawler lächelte. »Manchmal halte ich es genauso wie du jetzt und versuche mir vorzustellen, daß sie mich an den Ort zurückführt, an dem sie gemacht wurde. Trockener Sand, keine Sonne, ein blauer Fluß mit Bäumen an beiden Ufern. Städte mit Tausenden Menschen darin. Gewaltige Tempel und Paläste. Aber es ist sehr schwierig, die Vision klar und deutlich zu halten. Alles, was ich wirklich im Geiste sehen kann, sind ein Meer und eine kleine Insel.«
    Sie stellte die Statuette wieder ab und wies auf den Tonscherben. »Und dieses Stück hartes bemaltes Material, sagst du, stammt aus... Griechenland?«
    »Ja, Griechenland. Es ist Töpferware. Sie machten das aus Lehm. Da, schau, du kannst noch ein Stückchen der Malerei erkennen, die Gestalt eines Kriegers und den Speer, den er wohl trug.«
    »Was für eine wundervolle Umrißlinie. Es muß ein Meisterstück gewesen sein. Aber das werden wir nie erfahren, nicht wahr? Wann ist Griechenland gewesen? Nach Ägypten?«
    »Viel später. Und trotzdem noch

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