Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht
nach außen hin den Eindruck erwecken, sie hätten dies allein sich selbst zu verdanken. Doch in Wirklichkeit
kamen sie alle in den Genuss verborgener Vorteile, außergewöhnlicher Chancen und eines kulturellen Umfeldes, die es ihnen
ermöglichten, anders zu lernen und zu arbeiten als andere Menschen und die Welt anders zu verstehen. Es spielt eine entscheidende
Rolle, wo und wann wir aufwachsen. Unsere Kultur und das Erbe, das frühere Generationen an uns weitergeben, wirken sich in
ungeahnter Art und Weise auf unseren Erfolg aus. Es reicht mit anderen Worten nicht aus zu fragen, wie erfolgreiche Menschen
sind
. Nur wenn wir fragen,
woher
sie kommen, können wir verstehen, warum manche Menschen erfolgreich werden und andere nicht.
Biologen sprechen oft von der »Ökologie« eines Organismus: Die größte Eiche in einem Wald ist nicht nur deshalb die größte,
weil sie aus der kräftigsten Eichel stammt, sondern sie ist es auch deshalb, weil ihr kein anderer Baum die Sonne genommen
hat, weil die Erde tief und nährstoffreich ist, weil kein Hase den Schößling gemümmelt und kein Forstarbeiter den jungen Baum
vorzeitig gefällt hat. Jeder weiß, dass erfolgreiche Menschen aus einem kräftigen Keim stammen. Doch wissen wir genug über
die Sonne, die sie gewärmt hat, die Erde, in der sie Wurzeln geschlagen haben, und die Hasen und Holzfäller, denen sie durch
Zufall entgangen sind? In diesem Buch geht es nicht um große Bäume, sondern um Wälder. Eishockey ist ein guter Anfangspunkt,
denn die Erklärung dafür, wer es nach oben schafft und wer nicht, ist erheblich komplizierter, als es auf den ersten Blick
den Anschein hat. Sie ist sogar ausgesprochen seltsam.
3.
Nehmen wir einmal den Kader der Medicine Hat Tigers im Jahr 2007 unter die Lupe. Schauen Sie sich die Liste auf Seite 25 genau
an und sehen Sie, ob Ihnen etwas auffällt.
Haben Sie es entdeckt? Machen Sie sich nichts daraus, wenn |24| Ihnen nichts auffällt. Es hat Jahre gedauert, bis es irgendjemand in der Eishockeywelt bemerkte. Erst Mitte der Achtzigerjahre
machte ein kanadischer Psychologe namens Roger Barnsley auf das Phänomen des relativen Alters aufmerksam.
Gemeinsam mit seiner Frau Paula und seinen beiden Söhnen besuchte Barnsley ein Spiel der Lethbridge Broncos aus Alberta, einer
Mannschaft, die wie die Medicine Hat Tigers und die Vancouver Giants in der Major Junior A-League spielte. Paula Barnsley
las das Programm, in dem eine Aufstellung wie die obige abgedruckt war.
»Roger«, sagte sie, »weißt du, wann diese jungen Männer geboren wurden?«
»Klar«, antwortete er. »Die Jungs sind zwischen 16 und 20, also müssen sie Ende der Sechzigerjahre zur Welt gekommen sein.«
»Nein, nein«, erwiderte Paula. »Ich meine, in welchem
Monat
?«
»Ich habe zuerst gedacht, sie ist verrückt«, erinnert sich Barnsley. »Doch dann habe ich mir die Liste angesehen, und mir
ist sofort ins Auge gestochen, was sie meint. Aus unerfindlichen Gründen hatten die meisten Spieler im Januar, Februar und
März Geburtstag.«
Gleich am Abend nach dem Spiel suchte Barnsley so viele Geburtsdaten von Eishockeyprofis zusammen, wie er finden konnte. Das
Muster bestätigte sich. Gemeinsam mit einem Kollegen namens A. H. Thompson sammelten Roger und Paula Barnsley daraufhin die
Geburtsdaten sämtlicher Spieler der Ontario Junior Hockey League. Auch hier dasselbe Muster. Im Januar waren mehr Spieler
zur Welt gekommen als in jedem anderen Monat. Auf Platz zwei lag Februar und auf Platz drei März. Im Januar waren fünfeinhalbmal
so viele Spieler der Ontario Junior Hockey League geboren worden wie im November. Er suchte die Daten für die Auswahlmannschaften
der Elf- und Dreizehnjährigen zusammen. Dasselbe Bild. Er sah sich Spieler der Profiliga an. Auch hier dasselbe Muster. Je
mehr er suchte, desto sicherer war sich Barnsley, dass es sich nicht um einen Zufall handeln konnte, sondern dass er einem
ehernen Gesetz des kanadischen Eishockeys |26| auf der Spur war: In jeder beliebigen Auswahlgruppe der besten Eishockeyspieler waren 40 Prozent zwischen Januar und März
zur Welt gekommen, 30 Prozent zwischen April und Juni, 20 Prozent zwischen Juli und September und 10 Prozent zwischen Oktober
und Dezember.
|25|
|26| »In meiner gesamten Laufbahn als Psychologe bin ich nie einer derart auffälligen Verteilung begegnet«, erklärte Barnsley.
»Man muss kein Statistiker sein, um das zu erkennen. Ein Blick
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