Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht
genügt.«
Sehen wir uns einmal den Kader von Medicine Hat an. Fällt es Ihnen jetzt auf? Von 25 Spielern haben 17 in den Monaten Januar,
Februar, März oder April Geburtstag.
Hier ist der Radiokommentar zu den ersten beiden Toren des Memorial-Cup-Endspiels, mit einem kleinen Unterschied: Ich habe
die Namen durch die Geburtstage ersetzt. Es klingt plötzlich nicht mehr nach dem Endspiel einer kanadischen Jugendeishockeyliga.
Es klingt eher nach einem geheimnisvollen Ritual von Jungen, die unter den Sternzeichen Steinbock, Wassermann und Fische zur
Welt kommen:
11. März fährt hinter dem Tor der Tigers vorbei, lässt den Puck für 4. Januar liegen, der passt auf 22. Januar, der legt zurück
auf 12. März – Schuss aufs Tor! Aber der Puck geht direkt auf den Torhüter der Tigers, 27. April. Der Abpraller kommt zu 6.
März von den Giants, und der hält einfach drauf! Der Puck ist drin! Tigers-Verteidiger 9. Februar und 14. Februar versuchen
noch zu retten, 10. Januar kann nur noch hilflos zuschauen. Tor!!
Und jetzt auf der Gegenseite:
21. Januar, bester Torschütze der Tigers, prescht über rechts durch. Er bremst, umspielt Giants-Verteidiger 15. Februar und
passt auf seinen Teamkollegen 20. Dezember – hey, was macht der denn da? Der schüttelt den anstürmenden Verteidiger 17. Mai
ab und spielt einen Querpass zurück auf 21. Januar. Der schießt! Giants-Verteidiger 12. März will den Schuss blocken, Torhüter
19. März springt, doch der Puck rutscht unter ihm durch – und ist drin! Tigers-Teamkollege 2. Mai springt 21. Januar vor Freude
auf den Rücken.
|27| 4.
Dieses Phänomen hat eine ganz simple Erklärung. Es hat weder mit Astrologie zu tun noch damit, dass die ersten drei Monate
des Jahres irgendetwas Magisches an sich hätten. Es liegt einfach daran, dass der Stichtag zur Zulassung für eine Altersgruppe
im Eishockey der 1. Januar ist. Ein Junge, der am 2. Januar zehn Jahre alt wird, spielt in einer Mannschaft mit Jungen, die
dieses Alter erst ein gutes Jahr später erreichen – und im vorpubertären Alter machen zwölf Monate einen erheblichen körperlichen
Reifeunterschied aus.
In Kanada, dem eishockeyverrücktesten Land der Welt, stellen Trainer schon die neun- und zehnjährigen Jungen zu Auswahlmannschaften
zusammen. Und natürlich wirken dabei die Jungen, die größer, besser koordiniert, körperlich reifer und die entscheidenden
Monate älter sind, als seien sie die talentierteren Spieler.
Was passiert mit einem Spieler, der in eine Auswahlmannschaft kommt? Sein Training und seine Mitspieler sind besser. Jetzt
absolviert er pro Saison zwischen 50 und 75 Spiele und nicht nur 20 wie die Jungen, die in der »Hausliga« bleiben. Außerdem
trainiert er doppelt oder dreimal so viel. Anfangs besteht sein Vorteil weniger darin, dass er besser spielt, sondern darin,
dass er ein paar Monate älter ist. Doch wenn er 13 oder 14 Jahre alt ist, spielt er dank des besseren Trainings und der zusätzlichen
Spielpraxis tatsächlich besser, und die Wahrscheinlichkeit ist erheblich größer, dass er in die Major Junior B-League und
von dort in die Profi-Ligen kommt. 1
|28| Barnsley argumentiert, zu dieser verzerrten Altersverteilung komme es dann, wenn die folgenden drei Faktoren gegeben seien:
Auswahl, Differenzierung und Förderung. Wenn schon frühzeitig eine Entscheidung darüber getroffen wird, wer ein guter Spieler
ist und wer nicht, wenn die »Talentierten von den »Untalentierten« getrennt werden und die »Talentierten« schließlich eine
bessere Behandlung erfahren, dann hat am Ende eine kleine Gruppe von nahe am Stichtag geborenen Kindern einen erheblichen
Vorteil gegenüber allen anderen.
In den Vereinigten Staaten fallen Auswahl, Differenzierung und Förderung im Basketball und American Football nicht ganz so
extrem aus. Daher bekommen in diesen Sportarten körperlich weniger weit entwickelte Kinder dieselben Möglichkeiten wie ihre
etwas älteren Klassenkameraden, Spielpraxis zu erwerben. 2 Im Baseball ist dies dagegen sehr wohl der Fall. Stichtag für außerschulische Baseball-Ligen in den Vereinigten Staaten ist
der 31. Juli, weshalb mehr Profispieler im August geboren werden als in irgendeinem anderen Monat. (Die Zahlen sind eindrucksvoll:
Im Jahr 2005 feierten 505 Profi-Baseballer ihren Geburtstag im August und nur 313 im Juli.)
Der europäische Fußball ist ähnlich organisiert wie das kanadische Eishockey und das amerikanische
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