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Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht

Titel: Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Sie sich keine Umstände.
    [Bedeutung: Ich nehme Ihr Angebot an, wenn Sie es wiederholen.]
    Kim: Sie müssen hungrig sein. Warum gehen wir nicht etwas essen?
    [Bedeutung: Ich bestehe darauf, Sie einzuladen.]
    Kwacang: Soll ich?
    [Bedeutung: Ich nehme an.]
    Mit seinen feinen Bedeutungsschattierungen hat dieses Gespräch durchaus etwas sehr Ästhetisches, und jeder der Beteiligten
     muss sehr genau auf die Motive und Absichten des anderen hören. Der Dialog ist zivilisiert im wahrsten Sinne des Wortes und
     lässt keine Achtlosigkeit oder Gleichgültigkeit zu.
    Doch diese Art der Kommunikation funktioniert nur, wenn der Zuhörer in der Lage ist, genau hinzuhören, und wenn die Beteiligten
     ausreichend Zeit haben, um die nuancierten Botschaften des anderen zu entschlüsseln. Wenn jedoch ein Flugkapitän in einer
     stürmischen Nacht versucht, auf einem Flughafen mit defektem Gleitwegsender zu landen, dann funktioniert sie nicht.
    13.
    Im Jahr 2000 handelte Korean Air endlich und holte mit David Greenberg einen Ausländer, um den Flugbetrieb zu leiten. Greenbergs
     erste Maßnahme musste jeden überraschen, der die Wurzeln |194| des Problems bei Korean Air nicht kannte: Er überprüfte die Englischkenntnisse sämtlicher Piloten. »Einige sprachen gut Englisch,
     andere nicht«, erinnert er sich. »Also richteten wir zunächst einmal ein Programm zur Verbesserung der Englischkenntnisse
     ein.« In einem zweiten Schritt übergab er sämtliche Ausbildungsprogramme der Fluggesellschaft an ein westliches Unternehmen,
     eine Boeing-Tochter namens Alteon. »Die Ausbilder von Alteon unterrichteten ausschließlich auf Englisch. Sie sprachen kein
     Wort Koreanisch.« Greenberg stellte eine einfache Regel auf: Die neue Sprache bei Korean Air war Englisch, und wer von den
     Piloten bleiben wollte, musste die Sprache fließend beherrschen. »Es handelte sich nicht um eine Auslese«, erklärt er. »Alle
     hatten dieselbe Möglichkeit, und wem der Spracherwerb schwer fiel, der konnte auf eigene Rechnung zusätzliche Kurse besuchen.
     Die Sprache war ein Filter. Aber ich erinnere mich nicht, dass irgendjemand wegen mangelnder Englischkenntnisse entlassen
     worden wäre.«
    Greenberg begründete diese Maßnahme damit, dass Englisch die Sprache der Luftfahrt sei. Wenn die Piloten im Cockpit die Checklisten
     durcharbeiteten, in denen die wichtigen Punkte der Flugroute dargestellt wurden, dann waren diese Listen auf Englisch. Und
     wenn sie mit einem beliebigen Tower irgendwo auf der Welt kommunizieren mussten, dann immer auf Englisch.
    »Wenn Sie während der Hauptverkehrszeit am Kennedy Airport in New York landen, dann gibt es keine nonverbale Kommunikation«,
     sagt Greenberg. »Hier reden Menschen mit Menschen, und jeder muss hundertprozentig verstehen, was los ist. Vielleicht müssen
     zwei Koreaner, die nebeneinander im Cockpit sitzen, nicht unbedingt auf Englisch miteinander kommunizieren. Aber wenn sie
     sich nicht darauf einigen können, was die anderen da draußen auf Englisch gesagt haben, dann spielen Sprachkenntnisse sehr
     wohl eine Rolle.«
    Greenberg wollte den Piloten eine zweite Identität geben. Ihr Problem bestand darin, dass sie in den Rollen gefangen waren,
     die ihnen das gravitätische kulturelle Erbe ihres Landes vorgab. Sie |195| sollten eine Chance bekommen, diese Rollen beim Betreten des Cockpits hinter sich zu lassen, und die Sprache war der Schlüssel
     zu dieser Verwandlung. Das Englische würde sie von den feinen Abstufungen der koreanischen Hierarchie – der förmlichen Hochachtung,
     der formlosen Hochachtung und so weiter – befreien. Stattdessen hätten die Piloten Teil an einer Kultur und Sprache mit einer
     völlig anderen Geschichte.
    Der entscheidende Teil von Greenbergs Reform war jedoch das, was er nicht tat. Er verzweifelte nicht. Er feuerte nicht sämtliche
     Piloten, um Besatzungen aus Kulturen mit geringerer Machtdistanz einzustellen. Er wusste, wie wichtig das kulturelle Erbe
     war, welch weitreichende Auswirkungen es hat, dass es alles durchdringt und noch fortbesteht, lange nachdem es seine Nützlichkeit
     verloren hat. Aber er nahm nicht an, dass diese kulturelle Identität ein unveränderbarer Bestandteil unserer Persönlichkeit
     ist. Er war überzeugt, wenn die Koreaner ihre Herkunft anerkennen und sie sich mit denjenigen Aspekten ihres kulturellen Erbes
     auseinandersetzen würden, die nicht zur Luftfahrt passten, dann würden sie sich verändern. Er bot den Piloten das, was

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