Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht

Titel: Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
Vom Netzwerk:
das Urteil des Kapitäns
     in Zweifel ziehen, oder er wollte sich nicht lächerlich machen, weil der Pilot große Flugerfahrung in der Region hatte. Der
     Copilot hätte seinen Standpunkt deutlicher vertreten müssen …
    Ob wir in dem, was wir tun, Erfolg haben oder nicht, hängt stark von unserer Herkunft ab. Ein guter Pilot zu sein und aus
     einer Kultur mit einer großen Machtdistanz zu kommen, ist eine schwierige Mischung. Kolumbien ist übrigens keineswegs das
     Land mit der größten Machtdistanz. Als Helmreich und seine Kollegin Ashleigh Merritt in einem Experiment den Machtdistanzindex
     von Piloten aus aller Welt maßen, lag an erster Stelle Brasilien und an zweiter Südkorea. 27
    |187| 12.
    Die Zentrale der Nationalen Verkehrssicherheitsbehörde der Vereinigten Staaten, die für die Untersuchung von Flugzeugabstürzen
     verantwortlich ist, befindet sich in einem flachen Bürogebäude aus den Siebzigerjahren am Ufer des Potomac River in Washington,
     D. C. Auf seinen langen Fluren liegen die Untersuchungslabors, in denen sich die Wrackteile von verunglückten Flugzeugen türmen:
     hier ein zerfetztes Motorenteil, da das verbogene Rotorblatt eines Helikopters. Auf dem Regal in einem der Labors steht der
     Stimmrekorder aus dem ValuJet-Absturz in Florida, der 110 Menschen das Leben kostete. Der Rekorder befindet sich in einem
     schuhschachtelgroßen Gehäuse aus gehärtetem Stahl, und in eine Seite ist ein ausgefranstes Loch gerissen, das so aussieht,
     als hätte jemand – oder etwas – mit immenser Gewalt eine Stange hineingetrieben. Einige der Ermittler sind Ingenieure, die
     Abstürze anhand der Wrackteile rekonstruieren. Andere sind Piloten. Bei einem überraschend großen Teil jedoch handelt es sich
     um Psychologen, die Stimmrekorder abhören und rekonstruieren, was die Mannschaft in den letzten Minuten vor dem Unfall sagte
     und tat. Einer der führenden Experten in der Auswertung von Stimmrekordern ist ein schlaksiger Mittfünfziger und promovierter
     Psychologe namens Malcolm Brenner. Brenner war auch einer der Ermittler im Falle des Absturzes von Korean Airlines Flug 801
     in Guam.
    »Der Anflug auf Guam stellt eigentlich keine Schwierigkeit dar«, beginnt Brenner. Der Flughafen von Guam verfügt über einen
     sogenannten Gleitwegsender, einen gewaltigen Radarstrahl, der vom Flughafen aus in den Himmel reicht. Der Pilot muss nur an
     diesem Strahl entlangfliegen. Nur in dieser Nacht war der Gleitwegsender abgeschaltet. »Er war außer Betrieb«, erklärt Brenner.
     »Das Gerät war auf einer anderen Insel zur Reparatur. Die Piloten hatten die Mitteilung bekommen, dass der Gleitwegsender
     nicht in Betrieb war.«
    |188| Das wäre an sich kein allzu großes Problem. In den vier Wochen, in denen sich der Gleitwegsender in Reparatur befand, landeten
     1 500 Flugzeuge sicher auf Guam. Es war eine Kleinigkeit, schlimmstenfalls ein Ärgernis, die Landung wurde dadurch kaum nennenswert
     erschwert.
    »Der zweite Faktor, der die Sache komplizierte, war das Wetter«, fährt Brenner fort. »Im Südpazifik gibt es diese kurzen Schlechtwetterepisoden,
     die in der Regel schnell wieder vorübergehen. Es gibt keine Stürme. Es ist ein Tropenparadies. In dieser Nacht gibt es ein
     paar dieser kleinen Störungen, und just einige Kilometer vor dem Flughafen fliegt die Maschine in eine von diesen Schlechtwetterzellen.
     Also muss der Kapitän entscheiden, welches Landeverfahren er wählen will. Sie hatten sich für einen VOR/DME-Anflug entschieden.
     Das ist kompliziert und erfordert eine Menge Konzentration. Sie müssen schrittweise landen. Aber dann sieht der Kapitän aus
     einigen Kilometern Entfernung die Lichter von Guam. Er entspannt sich und sagt: ›Wir machen eine Sichtlandung.‹«
    Der VOR ist ein Drehfunkfeuer, das Signale aussendet, mit deren Hilfe der Pilot im Anflug auf den Flughafen seine Flughöhe
     berechnen kann. Der Kapitän wollte mithilfe des VOR anfliegen und auf Sichtladung umstellen, sobald er die Lichter der Landebahn
     sehen konnte. Das schien sinnvoll. Piloten landen dauernd nach Sicht. Doch in jedem Fall ist der Pilot gehalten, eine Alternative
     bereitzuhalten für den Fall, dass etwas schiefgeht. Das tat dieser Kapitän jedoch nicht.
    »Sie hätten sich abstimmen müssen. Er hätte die Verwendung des DME-Entfernungsmessers vorbereiten müssen«, erklärt Brenner
     weiter. »Das hat er aber nicht getan. Um das Flugzeug herum befinden sich Schlechtwetterzellen, doch der Kapitän scheint

Weitere Kostenlose Bücher