Übernachtung - Frühstück ausgeschlossen
»Meinetwegen kannst du
deiner Wege gehen. Du hast dich dämlich benommen, aber wir wollen’s dabei bewenden lassen .« Nach dieser freundlichen
Bemerkung kehrte er ihr den Rücken und verabschiedete sich mit einem knappen
Nicken von uns anderen.
Paul machte den Fehler, ihm ein
Glas Wein anzubieten, was North mit einem verächtlichen »Pah !« quittierte. Er hastete hinaus, und wir atmeten erleichtert auf, als der Motor
seines Wagens ansprang. North ließ ihn aufheulen, wendete und raste mit
quietschenden Reifen davon. Danach war wieder alles ruhig. Die Kinder hatten
diese häßliche Szene zum Glück nicht mitbekommen, weil Tom sich noch immer in
der Küche mit ihnen beschäftigte.
Wir blieben nicht mehr lange
beisammen. Nachdem wir auf das Wohl des jungen Paares getrunken hatten,
begleiteten wir die beiden zu ihrem Mini hinaus. Annette hatte ein paar Tränen
vergossen, aber sie war im Grunde genommen erleichtert, daß ihr Vater
davongefahren war, ohne sich auch nur von ihr zu verabschieden. Die beiden
sahen sehr glücklich — aber auch sehr jung — aus, als sie wild hupend und
blinkend in ihrem kleinen Wagen abfuhren.
»Wie wär’s jetzt mit der Tasse
Tee, auf die ich mich seit einer Stunde freue ?« schlug
Larry vor, und wir griffen ihre Idee dankbar auf. Die Szene von vorhin hatte
uns etwas mitgenommen, aber bei Larrys gutem Tee erholten wir uns rasch wieder.
Dann sammelte Anne ihre drei
Kinder ein, verabschiedete sich und fuhr mit Tim nach Hause. Als nächste
brachen Julian und Alison auf. »Du bist der eigentliche Held des Abends«,
erklärte ich ihm dankbar, und Larry warf spöttisch ein: »Das Ebenbild seines
Onkels...« Wir winkten ihnen zum Abschied nach.
Tom und die Kinder kamen
herein. Alle vier waren müde, und die Kleinen schliefen in der Sofaecke ein.
»Kommt’s dir nicht auch herrlich friedlich bei uns vor ?« fragte ich Larry. »Nirgends ein Fremder in Sicht. Unsere Ferienhäuser stehen
leer. Annette und Frank sind glücklich verheiratet, Miranda und Joe ebenfalls
auf Hochzeitsreise. Überall herrscht Friede .«
Sie nickte zustimmend. Wir
saßen schweigend da und genossen die himmlische Ruhe. Irgendwo in der Ferne
blökte ein Lamm, und der Nachtwind raschelte in den Bäumen. Dann herrschte
wieder tiefe Stille. Ich fühlte mich mit der Welt und den Menschen versöhnt —
fast auch mit Mr. North.
Ich war anscheinend kurz
eingenickt, denn ich schrak hoch, als das Telefon schrillte. Dieser Anruf
schien Schlimmes zu bedeuten, und ich zögerte, nach dem Hörer zu greifen. Paul
war schneller als ich. »Ein Ferngespräch für dich«, flüsterte er, während er
mir den Hörer gab. Dann drang eine vertraute Stimme an mein Ohr: Sie gehörte
Bruce Ross, der sich wortreich für den späten Anruf entschuldigte. »Inzwischen
hat sich alles aufgeklärt, Mrs. Russell !« trompetete
er fröhlich. »Dem Boß fehlt in Wirklichkeit doch nichts. Wir könnten also
morgen zu acht kommen. Das ist Ihnen doch recht ?«
Ich murmelte irgend etwas, auf
das Ross gar nicht einging.
»Okay, dann kreuzen wir
irgendwann vormittags auf«, kündigte er an. »Wunderbar! Wirklich anständig von
Ihnen, daß Sie uns die Absage von neulich nicht übelnehmen. Sie können Ihre
Pferde schon darauf vorbereiten, daß ein paar wilde Reiter kommen... Auf
Wiedersehen bis morgen — und nochmals vielen Dank!«
Ich legte ganz langsam den
Hörer auf und drehte mich zu Larry um, ihr die Hiobsbotschaft mitzuteilen.
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