Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)
ging auf die Hinterhand und wieherte. Willard zügelte es.
Ich stieg vom Rücken des Tieres hinunter. Willard ebenfalls. Aber das Pferd blieb weiterhin unruhig. Willard sah mich an und sagte dann: "Vielleicht haben Sie tatsächlich recht, Patricia... Vielleicht ist dies der Augenblick, um die Karten in dieser trostlosen Welt neu zu mischen."
Ich spürte es hinter den Schläfen pochen. Meine Hand hob sich unwillkürlich und presste dagegen.
Das mussten Marys mentale Kräfte sein...
Willard nickte nur.
Er wusste Bescheid.
Ich versuchte mich so gut es ging abzuschirmen. Ich blickte mit wachsender Besorgnis auf den Teich. Noch bevor sich die dunkle Wasseroberfläche hob, ahnte ich, was geschehen würde. Es ging zu schnell, um zuvor auch nur einen einzigen Laut ausstoßen zu können. Das Monstrum erhob sich als dunkler Umriss aus der Tiefe des schwarzen Teichwassers. Zwei grell leuchtende Augen waren das einzig helle an ihm. Doch noch ehe der Oberkörper dieser grauenerregenden Gestalt zu sehen war, hob Willard die Arme. Grellrote Strahlen schossen aus seinen Fingerspitzen heraus. Sie trafen das Monstrum, das laut aufschrie. Ein heiserer, tierischer Schrei des Entsetzens. Das Wasser des Teiches, das zu jener zähflüssigen, undefinierbaren Substanz geworden war, aus der auch das Monstrum bestand, begann zu kochen. Dampf stieg auf, mischte sich mit dem grauen Nebel.
Sekunden nur währte diese übersinnliche Auseinandersetzung. Das Monstrum sank zurück in die Tiefe.
Blasen stiegen von dort herauf und zerplatzen an der nun aufgewühlten Oberfläche.
Nichts war von dem Ungeheuer geblieben.
Willard wandte sich an mich.
Sein Blick hatte in diesem Augenblick etwas Stechendes, Unangenehmes. Mir schauderte vor der ungeheuren übersinnlichen Energie, über die auch er zu verfügen schien. Er schien meine Gedanken zu erraten.
Vielleicht las er sie sogar. Ich mochte nicht näher darüber nachdenken.
"Auch Sie haben diese Kraft, Patricia. Jeder menschliche Geist besitzt sie - zumindest hier, in dieser Welt der ewigen Dämmerung. Dieselbe Kraft. Aber Sie können Sie nicht gezielt einsetzen...."
Ich wollte etwas erwidern.
Aber ein Kloß saß mir im Hals und schnürte mir die Kehle zu.
Willard fasste mit der Hand an meine Stirn.
Gleichzeitig spürte ich deutlich, wie sein Geist mein Inneres berührte.
"Geben Sie mir Ihre Kraft, Patricia! Sonst wird alles so bleiben. Ich werde Mary sonst nichts entgegenzusetzen haben. Die Auseinandersetzung, deren Zeuge Sie gerade geworden sind, hat mich viel Kraft gekostet..." Seine Stimme hatte einen beschwörenden, geradezu hypnotischen Klang.
Ich konnte nichts sagen.
Und ich brauchte es auch nicht.
Willard ließ mir ohnehin keine Wahl. Er erwartete keine Antwort. Ich fühlte, wie die Kraft meinen Körper verließ. Eisige Kälte begann mich zu erfüllen. Mir war schwindelig. Ich hatte das Gefühl, zu taumeln. Einen Augenblick lang sah ich wieder den reißenden Strudel der Bilder und Farben, in den ich gestürzt war, als Mary mich entmaterialisiert hatte. Aber diesmal riss dieser Strom mich nicht mit sich. Diesmal entging ich dem Schlund im letzten Moment, als Willard die Hand von meiner Stirn nahm. Er stützte mich. In seinen Augen leuchtete es grell. Eine fluoreszierende Aura umgab seinen Körper, so als würde die Energie, die jetzt in ihm war, von ihm auf geheimnisvolle Weise abstrahlen. Ich fühlte mich unendlich schwach.
"Kommen Sie!", sagte er und nahm mich bei der Hand. Wir gingen auf das Portal zu. Ständig drohten mir die Sinne zu schwinden. Blei schien in meinen Beinen zu sein und selbst jeder Gedanke fiel mir so unendlich schwer...
Eine niederdrückende Lethargie breitete sich in mir aus. Am Fuß der breiten Treppe, die hinauf zum Portal führte, sank ich nieder. Ich fühlte kaum den kalten Stein der Stufen.
"Ich kann nicht mehr", murmelte ich. Er nickte.
Zweifellos wusste er, was mit mir los war.
"Dann warten Sie hier!"
"Sie werden es schaffen, ja?"
"Ich weiß es nicht."
"Sie werden Tom..." Ich konnte nicht mehr. Der Tod, dachte ich. Ein Zustand vollständiger Auflösung... Ich hatte das Gefühl, diesem Zustand sehr, sehr nahe zu sein...
Undeutlich nahm ich das Geräusch der Schritte wahr, mit denen Willard die Treppe hinaufstieg.
Ich sank vollends auf die Steine.
Es war alles andere, als ein bequemes Ruhebett. Kein Ort, an dem man sich zur Ruhe legen wollte. Aber in diesem Augenblick war es mir gleichgültig.
"Tom", flüsterten meine Lippen kaum
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