überSINNLICHE Nächte - überSINNLICHE Nächte - Wild Nights
Lächeln zu. »Samhain ist so eine Ausnahme. Die Nacht, in der die Geister frei umherziehen. Wenn der Nekromant stark genug ist, kann er ein Simulacrum zwingen, den Boden hinter sich zu lassen, auch wenn er dann keine Verbindung zu Stein hat.«
Sie starrte ihn entsetzt an. Das Haferbrötchen schmeckte plötzlich wie Sägemehl. »Das heißt ...«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, noch nicht. Alcott hat die Schutzgeister bisher kaum geprüft. Aber er könnte. Irgendwann.«
»Dann sind wir hier also gefangen?«
»Überhaupt nicht!«, widersprach Colin sofort. Er klang fast ungehalten. Seine Antwort kam so schnell, dass sie von seiner Aufrichtigkeit überzeugt war.
Alana suchte den Raum nach einem zweiten Ausgang ab. Aber es gab nur ein Fenster. »Das Fenster?«, fragte sie ungläubig. Sie befanden sich knapp sieben Meter über dem Boden, weil diese Seite des Gebäudes drei Stockwerke hatte, wenn man das Striplokal im Erdgeschoss mitzählte.
»Hm-hmmm.« Er hob bestätigend die Flasche.
Sie trank einen Schluck Ale und aß das zweite Haferküchlein, während sie über seine Antwort und die Bedeutung dieser lässigen Bemerkung nachdachte. »Es gibt keinen Sims oder so.«
»Kein Problem.« Er klopfte die Krümel vom Bett, dann tätschelte er einladend auf die Matratze und stellte die leere Flasche auf den Fußboden.
Verblüfft über seine Aussage ging sie quer durch den Raum. Sie war sich sehr wohl seines warmen, liebevollen Blicks bewusst, der über ihren Körper wanderte. Sie setzte sich neben ihn und fragte sich, wie er mit ihr entkommen wollte.
Colin schlang einen Arm um ihre Taille, lehnte sich zurück und zwang sie, sich neben ihn auf die Matratze zu legen. »Er hat sie dir einfach nicht zurückgegeben?« Er widmete sich wieder dem ursprünglichen Thema, als müssten sie keinen Gedanken an ihre Flucht verschwenden.
Alana wurde in seinen Armen ganz still. Sie konnte aber seine Frage nicht ignorieren, deshalb lächelte sie grimmig und zuckte mit den Schultern. »Als ich gemerkt habe, dass er sie mir geklaut hat, habe ich sie mir einfach zurückgeholt.«
Er lachte leise. Seine Arme schlossen sich um sie, und er drückte sie an seine Brust. Er hielt sie einige Herzschläge lang so. Sie wurde ganz ruhig.
»Würde es funktionieren mit der Brosche? Was meinst du?«
Sie verkrampfte sich. Plötzlich fühlte sich seine Umarmung eher nach einer Umklammerung an. Warum fragte er sie das?
»Vielleicht«, antwortete Alana vorsichtig. »Papa Dare besaß die Brosche schon ewig. Bestimmt ist sie mit einem Nachklang verbunden.«
»Wenn du also nicht die Verbindung zu deinem Urgroßvater unterbrichst, wird es Alcott jederzeit möglich sein, sein Vorhaben doch noch in die Tat umzusetzen.« Seine Stimme klang ruhig und sehr logisch und objektiv. Als ginge ihn die Angelegenheit nichts an.
Sie drehte sich in seinen Armen und versuchte, seine Miene zu ergründen. »Was meinst du mit ›die Verbindung unterbrechen'?«
Er erwiderte ihren Blick. Sein Gesicht ließ keinen Schluss auf seine Gedanken zu. »Du könntest die Brosche umarbeiten lassen, sodass man sie nicht mehr einsetzen könnte, um deinen Urgroßvater herbeizurufen.«
Alana umfasste die große Brosche. Die abgerundete Metallkante grub sich in ihre Handinnenfläche. »Umarbeiten?« Ihre Stimme brach. Sollte sie ihr geliebtes Erinnerungsstück an Papa Dare einfach aufgeben? Nicht zu vergessen die Magie, die es ihr ermöglichte, die Gärten im Vergnügungsviertel zu pflegen?
»Ich könnte das machen«, bot Colin ihr an.
Sie biss sich auf die Lippen. War das alles nur ein geschickter Schachzug, um die Brosche in die Hände zu bekommen? Konnte sie ihm vertrauen? Er schien die besten Absichten zu haben und wusste einen Weg, wie man Bryces Simulacrum entkommen konnte. Aber sie hatte sich auch nicht vorstellen können, dass Bryce sich der Nekromantie zuwenden würde. Ihr Urteilsvermögen war also nicht gerade besonders gut.
»Nein. Das kann ich nicht riskieren.«
Colin lehnte sich zurück. Er blinzelte. Was für eine unlogische Bemerkung! Was konnte sie nicht riskieren? Dass er die Brosche umarbeitete? Er war ja nicht so schlecht in seinem Job! Tatsächlich glaubte er, sein Handwerk meisterlich zu beherrschen.
Er rang sein Ego nieder. Alanas Zweifel schienen sich nicht auf seine Fähigkeiten oder das Fehlen eben dieser zu beziehen. Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Ihm fiel keine passende Antwort ein.
»Die einfachste Lösung wäre, die Brosche zu zerstören.
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