Überwachtes Netz
Debatte über die Gerätehoheit auch um das Recht auf Privatsphäre und den Schutz vor Überwachung erweitert werden. Denn mit dem Verlust der Kontrolle des Endnutzers steigen zugleich die Möglichkeiten einer Fernkontrolle durch den Hersteller. Die Fernkontrolle von Hardware bietet wiederum ein Eingangstor für Ausspähprogramme sowie andere Überwachungsmethoden moderner Geheimdienste.
Wie Hardware zum Spion werden kann
2013 hat Google ein Produkt namens Google Glass vorgestellt, ein Minicomputer im Design einer Brille – unter anderem ausgestattet mit Bildschirm, Internetzugang, Kamera, Mikrofon und GPS. Bereits die Ankündigung des Produktes hat eine Debatte über Sinn und Unsinn des Gerätes ausgelöst, die sich vornehmlich auf das Ausgeliefertsein derjenigen Person konzentriert hat, die vor der Brille steht. Denn steht mir jemand mit einer Brille gegenüber, die zugleich mit Kamera und Mikrofon ausgestattet ist – wie kann ich wissen, ob er mich nicht fotografiert, mich filmt oder unser Gespräch aufzeichnet? Wie kann ich wissen, wo er diese Daten speichert und wer dadurch sonst noch Zugriff auf all diese Daten hat? Wie kann ich mich fortan vor der Überwachung durch andere Personen schützen? So stellt die Fachzeitschrift c’t in ihrem Langzeittest fest:
»Das ist das Grundproblem: Kein Mensch fühlt sich entspannt, wenn ein Objektiv auf ihn gerichtet ist. Beteuerungen, dass man auf keinen Fall fotografieren oder filmen will, helfen wenig – die Allgegenwart der Linse verdirbt die Atmosphäre. Je häufiger man als Glass-Träger diese latente Unentspanntheit spürt, desto häufiger nimmt man die Brille ab. Am Ende will man sie nur noch aufsetzen, wenn gerade niemand in der Nähe ist.« [262]
So wichtig diese Debatte gesellschaftlich auch ist, so wurde einem anderen Aspekt leider viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt: Der Möglichkeit von Google, das hauseigene Produkt ferngesteuert zu kontrollieren – mindestens, und das ganz offiziell, die Möglichkeit, die Brille ferngesteuert abzuschalten.
Glass Explorer Edition hieß die erste Version der Datenbrille, die von Google zum Betatest in limitierter Stückzahl an ausgewählte Personen ausgeliefert wurde. Diese mussten, um das Testprodukt nutzen zu dürfen, Googles Allgemeine Geschäftsbedingungen unterzeichnen, die unter anderem beinhalteten:
»Unless otherwise authorized by Google, you may only purchase one device, and you may not resell, rent, lease, transfer, or give your device to any other person. If you resell, rent, lease, transfer, or give your device to any other person without Google’s authorization, Google reserves the right to deactivate the device , and neither you nor the unauthorized person using the device will be entitled to any refund, product support, or product warranty.« [263]
Wenn Google folglich über die Möglichkeit verfügt, die eigene Datenbrille ferngesteuert auszuschalten, dann ist zu vermuten, dass sie auch weitere Möglichkeiten der Fernkontrolle beinhaltet – zum Beispiel das Aktivieren der Kamera oder des Mikrofons. Diese Form der Kontrolle und die Erfassung des privaten Alltags würde sich perfekt in Googles Geschäftskonzept integrieren: Die Sammlung möglichst vieler und möglichst genauer persönlicher Daten, um darauf basierend individuell zugeschnittene Werbung zu liefern. Technisch ist eine solche Fernkontrolle heutzutage ohne weiteres machbar.
Microsoft hatte vor wenigen Monaten mit der Ankündigung seines neuesten Produktes Xbox One schon ähnliche Kontrollphantasien vermuten lassen. Die Xbox One ist eine Spielekonsole, deren technische Spezifikationen sich bereits wie ein High-End Spionageprodukt lesen: Full HD Kamera mit biometrischem Scan, Emotionserkennung sowie Standortbestimmung, eine Nachtsicht- und Infrarotfunktion sowie vier Mikrofone mit individueller Stimmerkennung, die per se nicht ausgeschaltet werden können. Hinzu kündigte Microsoft an, dass ein beständiger Datenaustausch zwischen der Xbox One und den Microsoft Servern für die Übermittlung personalisierter Werbung bestehen werde. Erst nach einem Sturm der Entrüstung von Kunden und Datenschützern ist Microsoft inzwischen zurückgerudert – sonst wäre die Xbox One der perfekte Spion im eigenen Wohnzimmer geworden. Schließlich ist es ein einfacher Schritt, in ein Gerät, das in beständigem Datenaustausch steht, auch die Möglichkeit einer Fernkontrolle zu implementieren.
Wenn sich aber moderne IT-Produkte durch deren Hersteller
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