Ulysses Moore 6: Der erste Schlüssel (German Edition)
Ohrfeige.
»Halt!«, mischte sich Julia ein. Sie stand auf, nahm Zan-Zan bei der Hand und führte sie hinaus in den Garten. »Das ist eine komplizierte Angelegenheit. Lassen wir sie ein bisschen allein.«
Zan-Zan weinte inzwischen vor Wut. »Er hat mir das nicht gesagt«, schluchzte sie. »Er hat mich betrogen … ich wusste nicht, dass … er eine andere Frau … und eine Tochter hat.«
»Na ja … Aber das ist doch schon so lange her«, versuchte Julia, sie zu trösten, obwohl sie jetzt eigentlich ganz andere Sorgen hatte.
Währenddessen sah Oblivia in der Küche Black Vulcano hasserfüllt an. »Mama ist nicht freiwillig aus Kilmore Cove weggezogen. Sie hat das Dorf verlassen, weil sie es musste. Und sie schämte sich deinetwegen. Sie schämte sich so sehr, dass sie nicht einmal ihrer Schwester erzählt hat, was geschehen war.«
Black hatte sich aus dem Eisfach des Kühlschranks ein Paket gefrorenen Spinat geholt und hielt es gegen seine brennende Wange. »Ich wusste es doch auch nicht. Aber du musst mir glauben: Ich liebte deine Mutter.«
»Das schien ihr nicht klar gewesen zu sein. Ich wurde in Cheddar geboren und bin ohne Vater aufgewachsen. Ich war mit ihr allein. Immer nur mit ihr allein.«
»Das tut mir sehr leid. Aber ich konnte nicht ahnen …«
»Ich habe studiert, ich habe gearbeitet. Allein, immer allein. Und ich bin reich geworden.«
»Es freut mich, das zu hören, das ist schön für dich. Aber deine Mutter …«
»Du warst sicher froh, sie losgeworden zu sein!«
»Nein! Sie hat mir so furchtbar gefehlt! Ich habe immer an sie gedacht und auch meine Lokomotive nach ihr benannt!«, widersprach Black.
»Und warum bist du in den ganzen dreißig Jahren kein einziges Mal aufgetaucht? Warum hast du sie nie besucht?«
»Sie wollte das nicht!«, rechtfertigte er sich. »Das zwischen uns war … Wie soll ich sagen? Ein Kommunikationsproblem …«
Oblivia gab ein bitteres Lachen von sich. »Ich habe eher den Eindruck, dass du damit kein Problem hattest. Mama ist tot und du hast eine neue Frau.« Wütend funkelte sie ihren Vater an.
»Sie ist doch nur meine Assistentin!«, log Black. »Außerdem ist es für einen älteren Mann wie mich nicht schön, allein zu leben.«
»Für ein Kind ist es auch nicht schön, ohne Vater aufzuwachsen. Und ständig an ihn zu denken und von ihm zu träumen und ihn für einen besseren Menschen zu halten, als er ist.«
»Du könntest deinem Vater ein bisschen mehr Respekt zollen!«, murmelte der ehemalige Stationsvorsteher und legte den gefrorenen Spinat wieder auf den Tisch. »Wer hätte das ahnen können!« Black schüttelte den Kopf. »Jetzt verstehe ich, woher du den Schlüssel hast. Das ist verrückt! Klytämnestra. Und meine Tochter. Die sich dann ausgerechnet auch noch mit Peter verlobt hat!«
»Ich bin nicht mit Peter verlobt! Ich wollte davon nichts wissen!«
»Na, Gott sei Dank!«, rief ihr Vater spontan aus. »Man soll sich nicht zu fest an einen Menschen binden!«
»Papa!«
Black biss sich auf seine Unterlippe. »Entschuldige. Das war nicht ernst gemeint. Es ist nur … Wenn wir uns doch früher getroffen hätten, als du angefangen hast, das Geheimnis der Türen zu erforschen …«
»Ich musste es schließlich tun! Der Schlüssel war das Einzige, was mir von meiner Mutter geblieben ist!«
»Ja, sicher. Eigentlich …«
»Außerdem habe ich dich gesucht. Bist du nicht derjenige, der alle Schlüssel mitgenommen hat?«
»Nicht alle. Deiner hat gefehlt und der von Peter. Aber Ulysses hatte recht.« Black kratzte sich den Bart. »Diese Schlüssel führen ein Eigenleben«, sagte er. »Sie entscheiden selbst, wem sie gehören und wo sie sich finden lassen wollen.«
Oblivia trommelte mit den Fingern nervös auf der Tischplatte herum. »Und der berühmte Erste Schlüssel?«
»Den habe ich nie gehabt«, antwortete ihr Vater, ohne nachzudenken.
»Also gibt es ihn nicht.«
»Natürlich gibt es ihn!«
Oblivia sah Black vorwurfsvoll an.
»Ich mache keine Witze«, sagte dieser. »Keiner von uns glaubte mehr daran, aber Leonard hat ihn gefunden. Nach zwanzig Jahren.«
Etwas Gefährliches blitzte in Oblivias Augen auf. »Und wo?«
»Hm … Ich denke nicht, dass dies der richtige Augenblick ist, um darüber zu reden.«
»Doch, ich finde, wir sollten genau jetzt darüber sprechen.«
Black stand auf und ging, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, zweimal um den Tisch herum. »Na ja, schließlich bist du meine Tochter, nicht wahr?«
»Wo?«
Black
Weitere Kostenlose Bücher