Ulysses Moore – Die Insel der Masken
sagte der Mann mit der karierten Mütze noch, bevor er wieder in seinen Pick-up stieg.
»Das können Sie laut sagen«, antwortete Manfred, Oblivia Newtons Chauffeur, als er sich wieder hinter das Steuer seines Strandbuggys setzte.
Im Hof der Villa Argo setzte sich Jason einfach in den Kies und schlug das
Handbuch der entsetzlichen Geschöpfe
auf, um etwas über geheime Zimmer zu erfahren. Er las, dass es in alten Häusern, in denen sich Gespenster am liebsten verstecken, fast immer irgendein Geheimzimmer gibt. Derartige Räume sind gewöhnlich über geheime Gänge zu erreichen. Um herauszufinden, ob es in einem Haus ein solches Zimmer gibt, zählt man am besten von außen die Fenster. Jason legte ein mitgebrachtes kariertes Blatt auf das Handbuch und zählte die Fenster im Erdgeschoss. Sieben. Dann die im ersten Stock. Das waren acht. Dazu kamen drei Dachfenster.
Mit einem Topf in der Hand schaute Nestor zur Küchentür hinaus. »Jaaason!«, rief er. »Essen ist fertig!«
»Ich komme!«, antwortete Julias Bruder und stand auf. »Wenn du dich in einem geheimen Zimmer versteckst, werde ich dich finden«, murmelte er. Dann ging er ein Stück weiter, um die Fenster auf den anderen Seiten zu zählen.
In einer Ecke der Küche hatten die Zwillinge ihre Ausrüstung für die bevorstehende Reise bereitgelegt: drei venezianische Mäntel, drei Taschenlampen, einen Rucksack, einige Meter Seil, ein Schweizer Taschenmesser, einen Kompass, den Stadtplan von Venedig aus dem 18. Jahrhundert und natürlich Ulysses Moores altes Reisetagebuch.
Nestor wollte sich gerade das Tagebuch anschauen, als das Telefon klingelte. »Das passt ja gut«, brummte er, während er auf das Tischchen zuhinkte, auf dem zwischen den unterschiedlichsten exotischen Gegenständen das Telefon stand. Mrs Covenant war am Apparat, die Mutter der Zwillinge. »Nein, Mistress Covenant ... Natürlich sind sie heute zur Schule gegangen! Jetzt ist nur Jason da. Ich weiß nicht, warum Julia noch nicht zurück ist, vielleicht muss sie unten im Ort etwas besorgen. Nein, ich kann Ihnen nicht einmal Jason geben, weil er im Moment die Fenster des Hauses zählt. Ja, genau. Er ist immer sehr beschäftigt. Gewiss. Natürlich. Natürlich werde ich ihm das ausrichten: Vielleicht kommen Sie heute Abend, spätestens aber morgen früh. Ja, das mit dem Umzug ist furchtbar, dass das so lange dauert ... Heute kann man sich auf niemanden mehr verlassen. Das ist wirklich ein Problem. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Versuchen Sie es doch später noch einmal. Jaja. Auf Wiederhören!« Nestor legte auf.
»Später werden wir irgendwo in Venedig sein«, sagte Jason, während er an Nestor vorbeiging. Er zählte die Fenster zu beiden Seiten des Raums und lief dann die Treppe hinauf.
»Hey!«, rief ihm der Gärtner hinterher. »Der Auflauf ist fertig!«
»Gleich!«, antwortete Jason.
»Es gibt kein Geheimzimmer«, sagte Jason einige Minuten später, während er sich Auflauf auf den Teller schaufelte. »Das heißt, es gibt kein Geheimzimmer mit Fenster. Das bedeutet jedoch nicht, dass es gar keins gibt ...« Er sah im Register des
Handbuchs der entsetzlichen Geschöpfe
unter dem Kapitel »Zugemauertes Geheimzimmer« nach. »›Um ein zugemauertes Geheimzimmer zu finden, misst man von außen die Fläche des Hauses und dann innen die Flächen sämtlicher Räume. Durch eine einfache Subtraktion ...‹«
»Jason«, unterbrach Nestor ihn, »in diesem Haus gibt es kein weiteres Geheimzimmer.«
»Weiteres?«
»Außer dem mit der Tür zur Zeit.«
»Genau das ist es ja«, sagte Jason, die Gabel mit dem aufgespießten Bissen senkrecht in der Hand. »Das runde Zimmer hinter der Tür zur Zeit hat vier Ausgänge. Einer führt zur Villa Argo. Der zweite hinunter zur Höhle, in der die
Metis
vor Anker liegt. Aber was ist mit den anderen beiden?«
»Der frühere Besitzer hat mir nie von besonderen Zimmern erzählt«, antwortete der Gärtner.
»Aber bist du jemals in den Gängen gewesen?«
»Nein.«
»Siehst du? Woher sollen wir denn dann wissen, ob da wirklich kein anderes Geheimzimmer ist? Unter der Villa Argo zum Beispiel könnte es so etwas wie einen unterirdischen Raum geben, in dem die alten Römer ihre Toten bestatteten, so ... Katakomben! Schließlich ist dies doch ein altes römisches Haus, oder?«
»Ja, an dieser Stelle stand damals ein alter Wachturm.«
»Deshalb könnte meine Theorie stimmen! Vielleicht liegt der Schlüssel zu Ulysses Moores Geheimnis in einem
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