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Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Titel: Ihr Auftritt, Mr. Pringle! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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KAPITEL 1
     
     
    «Der
erste Anblick von Bath bei schönem Wetter entspricht nicht meinen
Erwartungen...die äußere Erscheinung des Ortes... bestand nur aus Dunst,
Schatten, Rauch und Verwirrung.» Jane
    Austen, Briefe, 5.Mai 1801
     
    Montag, 2. April 1984, 15.01:23
Uhr
    Sie standen in gleichen
Abständen zueinander, aber nicht im Dreieck: sie waren drei Punkte auf einer
Geraden. Die Frau war der Tür am nächsten, ein Mann starrte zum Fenster hinaus.
Der dritte, in der Mitte des Raums, blickte die beiden abwechselnd grimmig an,
um sie zu veranlassen, ihn anzuschauen. «Haben Sie nicht gehört, was ich
sagte?»
    «Oh, doch.» Der Mann, der nach
draußen sah, schien sich bedrängt zu fühlen.
    «Und...?»
    Wieder Schweigen.
    «Wollen Sie nicht wissen, was
ich von Ihnen will? Sie werden es tun, was immer es ist, nicht wahr?»
    Die Frau blickte ihn scharf an,
sagte aber nichts. Eine Stimme knatterte plötzlich aus der Gegensprechanlage
auf dem Schreibtisch und zerbrach die Spannung. «Der Hubschrauber ist gelandet.
Sie dürften in etwa fünfzehn Minuten hier sein.»
    Der Mann trat schnell vom
Fenster weg und drückte auf eine Taste. «Danke.» Er schaute auf. «Nur zu.
Überraschen Sie mich.» Die Worte klangen nicht so herausfordernd, wie sie
gemeint waren.
    Die Frau machte eine Bewegung,
als erinnere sie sich an etwas. Sie schaute auf ihre Uhr und ging auf die Tür
zu.
    «Ich hin noch nicht mit Ihnen
fertig!»
    Sie blickte zu ihrem Peiniger
zurück. «Ich muß gehen», sagte sie nur. Es schien, als wolle er für den
tödlichen Schlag ausholen, aber der Mann am Schreibtisch sagte hastig: «Ja,
gehen Sie. Ich kümmere mich um diese Sache.»
    Die Frau schlüpfte hinaus, und
die beiden standen sich nun gegenüber, immer noch gleich weit voneinander
entfernt. Der Jüngere genoß den Augenblick. «Sie schulden mir ein neues Leben.
Und ich werde es mir nehmen.»
     
     
    Montag, 2. April 1984, 17.53:00
Uhr
    «Noch sieben Minuten bis zur
Sendung!»
    Keiner in der
Nachrichtenredaktion konnte diesen Ruf ignorieren. Instinktiv schauten alle auf
die Uhr. Aus den Monitoren über den einzelnen Schreibtischen prasselte
unpassender Applaus — die Mitglieder der königlichen Familie hatten ihren
Rundgang durch die neuen Studios von Bath & Wells fast beendet und
würden jeden Moment die offizielle Eröffnung beginnen. Hier in der
Nachrichtenredaktion ging der Kampf ums Überleben weiter. Trotz jahrelanger
Erfahrung als Programmassistentin waren ihre Nerven bis zum Zerreißen gespannt.
«Sieben Minuten», flüsterte sie. «Bei diesem Tempo schaffen wir das nie!»
    Es war nicht auszudenken. Ein
Aufschub kam nicht in Frage. Seit der Grundsteinlegung für die neuen Studios
hatte man die Übertragung des Ereignisses am heutigen Abend geplant. Während
der letzten Wochen war den Fernsehgesellschaften des ITV Network in zahlreichen
Notizen immer wieder der exakte Zeitpunkt bestätigt worden, in der sie sich zur
Sendung der neubelebten Bath & Wells zuschalten sollten. Nur Channel
hatte sich geweigert, aber das war zu erwarten gewesen. Ein Werbespot von
dreißig Sekunden, bis zum Überdruß wiederholt, hatte den Zuschauern das Datum
und den Zeitpunkt ins Unterbewußtsein gesetzt — achtzehn Uhr, am Montag, dem 2.
April. Noch knapp sieben Minuten.
    Niemand verstand, warum man
einen Montag gewählt hatte. Für jede Fernsehgesellschaft war er der schlimmste
der sieben Tage, montags wurde immer irgendwo gestreikt. Meist wegen eines
unbedeutenden Ärgers, der über das Wochenende unbeachtet geblieben war. Diesmal
war der Grund so offensichtlich, daß man ihn hätte vorhersehen können. Die
Verantwortung für die blauen Samtvorhänge, die die Erinnerungstafel verhüllten,
hatte die Abteilung Bühnenbild für sich beansprucht, die für die Schnur, an der
die königliche Hand ziehen würde, dagegen die Requisite. Dazu kam noch die
unvermeidliche Forderung der Elektriker nach dreifacher Bezahlung in
Anerkennung ihrer Fähigkeit, Lampen einschalten zu können. Was ebenfalls
abgelehnt worden war.
    Zu der Aufregung, verursacht
durch den offiziellen Besuch, kam also auch noch die panische Furcht, ob es der
Personalabteilung gelingen würde, diese Konflikte beizulegen. Im Büro des
Betriebsrats wurde wütend diskutiert. Die geladenen Gäste saßen nichtsahnend im
Halbdunkel und starrten in freudiger Erwartung auf die Erinnerungstafel,
eingerahmt von Gog (Bühnenbild) und Magog (Requisite). Hatten sie die
Enthüllung verpaßt? Bestimmt nicht? Seit

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