Ulysses Moore – Die steinernen Wächter
Willen aufzuzwingen. Aber wo sollte sie bloß anfangen?
Plötzlich wusste sie, was zu tun war. Sie zog die Schublade des Telefontischchens auf und begann nach einem Adressbuch oder etwas Ähnlichem zu suchen.
Sie fand ein altes Telefonregister, dessen Umschlag mit einem Landschaftsaquarell geschmückt war, und blätterte darin herum. Schließlich entdeckte sie eine Vielzahl von Telefonnummern und Namen, die ganz offensichtlich von einer Frau aufgeschrieben worden waren.
Das muss das Telefonbuch der früheren Hausbesitzerin sein, dachte Mrs Covenant, der ihre Suchaktion inzwischen ein bisschen peinlich war. Andererseits war die Schrift so schön und ordentlich, dass sie sozusagen dazu einlud, sie zu lesen. Endlich fand Mrs Covenant den Eintrag, nach dem sie gesucht hatte:
Friseurin: Gwendaline Mainoff,
modische Schnitte und Frisuren (kommt dienstags ins Haus)
In der Villa war es vollkommen still. Sie schien ganz alleine zu sein. Mrs Covenant sah sich rasch um. Dann wählte sie entschlossen die Nummer und wartete.
Nach dem dritten Klingeln hob Gwendaline ab.
Vom Meer aus gesehen wirkte die Treppe in den Klippen von Salton Cliff mit ihren Stufen wie eine schmale, lange Narbe auf dem Felsen.
Obwohl die Stufen feucht und rutschig waren und er wusste, was Jason hier vor wenigen Tagen passiert war, lief Rick die Treppe ziemlich schnell hinunter. Die Sonne schien und hoch oben am blauen Himmel schwebten die Möwen mit ausgebreiteten Flügeln über die Bucht, als würden sie von unsichtbaren Fäden gehalten. Rick hörte unten Stimmen und beugte sich vor: Er erkannte Nestors weißes Haar und die Köpfe der Zwillinge. Hastig lief er weiter die Treppe hinunter und erreichte einige Minuten später den Strand.
»Rick!«, begrüßte Jason ihn als Erster. »Wir haben gerade von dir gesprochen.«
»Wirklich?«, fragte Rick erfreut. »Hallo, Nestor! Hallo, Julia!«, sagte er und mied dabei absichtlich den Blick des Mädchens. »Und warum?«
»Kannst du rudern?«
Julia und Jason hatten für Nestor kurz zusammengefasst, was in Venedig geschehen war. Als Rick kam, erzählten sie auch noch, was sie über die Anzahl der Türen zur Zeit und ihre jeweiligen Schlüssel in Erfahrung gebracht hatten.
Rick hörte ihnen mit offenem Mund zu.
»Acht Türen zur Zeit in Kilmore Cove?«, wiederholte er und zählte an den Fingern diejenigen ab, die sie schon gefunden hatten. »Und wo sind die anderen?«
Die Zwillinge zeigten ihm die Liste der Orte, die sie aus dem Handbuch der Entfesselungskünstler abgeschrieben hatten, und berichteten rasch, was in dem Artikel gestanden hatte.
»Aber das ist ja fantastisch!«, rief Rick aus. »Das erklärt endlich, warum Ulysses Moore und seine Freunde alles Mögliche und Unmögliche unternommen haben, um ihre kleine Stadt vor Neugierigen zu verstecken. Und wir wissen jetzt sogar, wo wir sie finden!«
»Es ist nur so ...«, meinte Jason und deutete mit dem Kinn zur Villa über den Klippen hinauf. »Jetzt, wo unsere Mutter das Haus bewacht, haben wir kaum noch die Möglichkeit, mit unseren Fahrrädern hinunter in den Ort zu fahren, ohne dass sie unbequeme Fragen stellt.«
»Ich verstehe«, erwiderte Rick. »Wo fangen wir also an?«
Die Zwillinge sahen den alten Gärtner an, der irgendetwas vor sich hin murmelte.
»Bevor du kamst, haben wir Nestor von dem Brand erzählt und dass Peter tot sein und unter den Trümmern liegen könnte.«
»Ja«, bestätigte Rick düster. »Aber genauso gut könnte auch Oblivia jetzt tot sein.«
Nestor schüttelte den Kopf. »Das bezweifle ich.«
»Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, es herauszufinden«, warf Julia ein. »Wir gehen zum Haus der Spiegel und sehen nach, ob sie zurückgekehrt oder ob sie in Venedig geblieben ist.«
»Oder wir suchen nach den Schlüsseln, die Black Vulcano versteckt hat«, schlug Jason vor.
Auf dieses Stichwort hin teilte Rick den anderen das wenige mit, was er über den früheren Stationsvorsteher in Erfahrung gebracht hatte. Dann warteten die drei Freunde darauf, dass Nestor etwas dazu sagte.
»Ich weiß auch nicht, wo er mit den Schlüsseln hingegangen ist«, bemerkte der Gärtner. »Er hatte mit den anderen abgemacht, dass er ihnen nicht verrät, was er mit den Schlüsseln vorhat. Auf diese Weise wären sie vollkommen sicher. Black war ein alter Freund von Moore. Er war mehr als ein Handwerker, eigentlich schon eher ein Künstler, der sich für alles begeistern konnte, was mit Feuer und Glut zu tun hatte. Was genau es war, war
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