Ulysses Moore – Die steinernen Wächter
Baumstamm.
»Ihnen auch einen guten Morgen!«
»Haben Sie schon mit der großen Umräumaktion begonnen?«
»Ja, ein bisschen.«
»Gut, gut«, brummelte der Gärtner mit einer Zwanglosigkeit, die Mrs Covenant etwas irritierte. Schon am vorangegangenen Abend, als ihre Kinder von Kopf bis Fuß verdreckt und verrußt vor ihr gestanden hatten, hatte sie sich vorgenommen, sich einmal ernsthaft mit ihm zu unterhalten.
»Schön, dass Sie da sind. Ich möchte Sie gern etwas fragen.«
Nestor reagierte so, als glaube er, sich verteidigen zu müssen. »Ich habe keine Ahnung, was die beiden angestellt haben könnten. Und ich hatte Ihnen das auch von Anfang an gesagt, erinnern Sie sich? Ich passe nicht auf die Kinder auf. Wenn es dagegen um den Garten und die Pflanzen geht, bin ich ganz Ohr.«
Mrs Covenant musste lächeln. »Sie können offenbar Gedanken lesen. Sagen Sie mir nur eins: Sind Ihnen Julia und Jason auf die Nerven gegangen?«
»Nein.«
»Dann bin ich ja erleichtert.«
»Aber ich kann Ihnen nicht beantworten, ob sie im Haus etwas kaputt gemacht haben, denn wie gesagt habe ich sie nicht überwacht.«
Mrs Covenant schaute den Gärtner nachdenklich an. »Nein, ich glaube nicht, dass etwas zu Bruch gegangen ist. Abgesehen davon, dass die Bibliothek durcheinandergebracht wurde und ein paar Möbel anders stehen als vorher ...«
»Sie werden ihr neues Reich erkundet haben.«
»Und so, wie ich Jason kenne, haben sie sich zu jedem Gegenstand mindestens dreihundert Geschichten ausgedacht. Und das ist das eigentliche Problem mit diesem Haus.«
»Die Geschichten?«
»Nein, die Gegenstände. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Bald wird der Möbelwagen kommen und ... Na ja, wenn ich so weitermache, müssen wir unsere Möbel im Garten abstellen.«
»Eine ausgezeichnete Idee!«, rief Nestor. »Oder Sie könnten sie verkaufen. Einmal im Monat ist unten im Ort Flohmarkt. Apropos: Wenn Sie einen kleinen Sessel übrig haben, ich könnte drüben im Gärtnerhaus noch einen gebrauchen.«
So eine Frechheit! Mrs Covenant blieb beinahe die Luft weg. Doch sie erholte sich rasch. »Die Idee mit dem Flohmarkt ist nicht schlecht«, erwiderte sie. »Vielleicht könnte ich dort das ganze alte Gerümpel aus der Villa Argo verkaufen. « Dann verabschiedete sie sich knapp und kehrte ins Haus zurück.
Nestor klopfte sich den Staub aus der Cordhose und hinkte wütend zum Gärtnerhaus zurück. Nachdem er die Tür hinter sich verschlossen hatte, nahm er das schwarze Telefon vom Esstisch. Er schaute zu einer kleinen Wandtafel hinüber, auf der eine Nummer stand, und wählte sie hastig.
Beim fünften Klingeln hob Leonard Minaxo ab.
»Ich bin es«, sagte Nestor.
»He, alter Freund! Was ist los? So viele Jahre haben wir nichts voneinander gehört, und jetzt telefonieren wir ständig, wie zwei verliebte Teenager.«
»Sie will die Möbel entfernen.«
»Langsam, langsam. Wer will die Möbel entfernen?«
»Die Frau. Der Architekt von Homer und Homer ist in Kilmore Cove eingetroffen. Ich habe ihm einen Haufen Geld bezahlt, damit er sich möglichst lange Zeit lässt, aber offenbar war es nicht genug.«
»Du hast ihn bezahlt, damit er sich Zeit lässt?«
»Genau.«
»Du bist verrückt!«
»Denk doch, was du willst. Aber inzwischen gehen die Covenants davon aus, dass der Möbelwagen heute Nachmittag eintrifft.«
»Ja und?«
»Man müsste ...« Der Gärtner schwieg eine Weile, dann fuhr er fort: »Man müsste dafür sorgen, dass der Laster auf der Straße auf irgendein Hindernis stößt.«
Leonard Minaxo kicherte. »Habe ich dich richtig verstanden? Willst du damit sagen, dass ich mich um die Sache kümmern soll?«
»Genau.«
»So, als ob wir wieder gute Freunde wären?«
»Wir sind nie schlechte Freunde gewesen.«
»Das ist Ansichtssache.«
»Hilfst du mir jetzt, ja oder nein?«, fragte Nestor.
»Das hängt davon ab.«
»Wovon?«
»Die Kinder haben mir gut gefallen«, sagte Leonard.
»Jetzt komm nicht vom Thema ab.«
»Wir sollten aber über die beiden sprechen! Vielleicht hat dir ein Glücksfall zwei junge Leute beschert, die wirklich etwas draufhaben.«
»Drei. Du vergisst Banner.«
»Banner hatte ich vorher schon gefunden.«
»Vielleicht solltest du nicht allzu stolz darauf sein.«
»Aber ich brauche mich dafür auch nicht zu schämen, Nestor.«
»So ist es nun mal, Leonard. Du hast deine Ideen und ich habe meine.«
»Wir standen kurz davor herauszufinden, wer die Erbauer der Türen waren. Ganz kurz
Weitere Kostenlose Bücher