Um die Wurst (German Edition)
Weißwürste um die Ecke flitzte.
»Sie sind Redakteur?«, fragte Stark.
»Freier Journalist. Ich schreibe vor allem Reportagen. Steckenpferd: Enthüllungen.«
»Und was haben Sie bislang enthüllt?«
»Nichts, was man gerne gedruckt hätte.«
»Fehlten die Beweise?«
»Eher der Mut der Redaktion.«
»Marsmenschen oder Weltverschwörung?«
»Berufsgeheimnis. Sie werden es bald lesen. Ich werde es selbst verlegen, als E-Book. Schon gehört? Manche sind damit reich geworden.«
»Und wovon leben Sie bis dahin?«
»Von Reiseberichten, Werbetexten für Matratzen und verschollenen Rezepten der badischen Küche. Hin und wieder schreibe ich auch für ein Hundemagazin. Das aber eher aus Passion.« Er sah zu Braveheart, dann wieder zu Stark. »Wir müssen. Sonst stürmt er noch den Schlachthof.«
Stark stellte es sich bildhaft vor. Aber in ihrer Phantasie riss Braveheart nicht die geschlachteten Viecher, sondern die Gesichter der Metzger.
»Eine Frage habe ich noch«, sagte Stark und scrollte auf ihrem iPhone über die Stadtkarte Freiburgs. »Sie sagten, Sie wohnen in Zähringen, im Harbuckweg.«
»Ja. Und?«
»Das liegt direkt am Wald. Wieso gehen Sie nicht dort mit Ihrem Hund spazieren?«
»Normalerweise gehen wir dort. Aber wegen der Kolik gestern hat sich Bravehearts Rhythmus leicht verschoben. Deswegen sind wir hier gegangen.«
Stark musterte ihn. Entweder er war sehr abgebrüht, oder er hatte die Wahrheit gesagt.
»Können wir gehen?«
»Ja. Danke.«
Braveheart trottete artig mit Seibert davon, wohl wissend, dass er zu Hause gleich sein Mahl im silbernen Napf serviert bekam.
Stark sah den beiden hinterher. Für einen, der gerade eine entstellte Leiche gefunden hatte, wirkte Seibert sehr abgeklärt. Sie würde ihn auf dem Schirm haben. Wenn Dr. Selinger die Tatzeit ermittelt hatte, würde sie ihm noch mal auf die Zehen treten. Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als den Schlachthof zu betreten.
*
»Also, für jedes Zigarillo kriegsch ä Schwarzwurscht. Am Samschtig wird gschlachtet. Ä Wahnsinnssau. Rein biologisch, weisch. Beschtes Futter, beschte Haltung. Und so, wie ich metzge, glaubt die, die lebt noch, wenn sie scho lang serviert wird.« Arno lachte. »Des kannsch glaube. Bi mir leidet kei Vieh. Des geht ganz schnell. Do gibts kei Übersäurung wege panischer Hormonausschüttung. Mei Fleisch isch mehr Medizin als jedes Antibiotika, was du bim Arzt kriegsch.« Er lachte wieder. »Hejo, so isch’s. Also, man sieht sich. Un wenn du kummsch, bringsch ä paar Fotos vu Kuba mit. Dort soll’s jo au netts Frischfleisch gebe.«
Ein tierisches Lachen legte seinen rechten Eckzahn frei, der aggressiv nach vorne stand. Arno streckte Killian die Hand entgegen. Er schlug ein und spürte den mächtigen Händedruck des Metzgers, dem er zutraute, dass er der Sau nur mit der Faust auf den Schädel hauen musste, damit sie bewusstlos auf die Schlachtbank sank.
Killian stieg aus dem Waggon und ließ Arno noch eine Station ohne ihn fahren. Dessen Metzgerei lag an der Bötzinger Hauptstraße, in der Nähe der Mühlgasse, der zweiten Haltestation des Dorfes.
Er war froh, wieder allein zu sein. Fleisch und Wurst waren nicht seine Lieblingsthemen, obwohl er nicht Nein sagte, wenn ein feines Medaillon vor ihm auf dem Teller lag. Bei dem Gedanken bekam er Appetit. Er überlegte, was er zu Hause wohl noch auf Vorrat hatte, und landete bei schlichten Spaghetti mit einer Tomatensoße. Ein guter Parmesan musste auch noch im Kühlschrank liegen. Und wenn das nicht sättigte, würde er statt einer Flasche Spätburgunder heute eben zwei trinken. Die hatte er sich verdient.
Er hatte lange nicht mehr so intensiv und so gefährlich für Moshe gearbeitet wie in den letzten beiden Monaten. Dabei hatte er doch gar nicht mehr an die Front gewollt. Aber das angesparte Geld, von dem er gedacht hatte, es würde ihn fünf Jahre lang über die Runden bringen, war schneller geschmolzen als erwartet. Hauptgrund war seine Tochter Swintha, von der er bis vor drei Jahren noch gar nicht gewusst hatte, dass es sie überhaupt gab. Jetzt gab es sie aber, und er war froh darüber. Aber sie studierte, und das kostete. Bärbel, Swinthas Mutter, hatte zwar erst gewollt, dass sie sich die Kosten teilten, da Killian aber zwanzig Jahre keinen Cent gezahlt hatte, sah er es als seine Pflicht an, die Ausbildung seiner Tochter ganz zu übernehmen.
Vermutlich war es nur eine willkommene Ausrede, um sich nicht eingestehen zu müssen, dass er aus dem
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