Um Leben Und Tod
Frage stellte Wolfgang Daschner abschlieÃend. Sie ging mir nicht mehr aus dem Kopf und verschaffte mir schlaflose Nächte.
Gäfgen hatte seit Monaten einen Verteidiger, er ist vernommen worden, hatte Kontakte mit Staatsanwälten und Richtern, war über mehrere Tage von einem hervorragenden Psychiater und seinem Team begutachtet worden. Wenn er sich von mir ernsthaft bedroht gefühlt hatte, warum sagte er dies erst jetzt?
Wen konnte ich um Rat fragen? Mir wurde klar, dass ich einen Rechtsanwalt benötigte. Nur über ihn konnte ich erfahren, was Gäfgen dazu bewogen hatte, mehr als drei Monate nach seiner Befragung durch mich zu behaupten, ich hätte ihn bedroht. Was hatte er in seinen Vernehmungen, was während seiner Exploration gesagt?
Im Nachhinein ist mir klar, dass spätestens nach der Vernehmung Gäfgens am 15. Januar 2003 bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt einige Unruhe entstanden war.
Denn Endres würde die Presse benachrichtigen, unangenehme Fragen waren zu erwarten.
Seit dreieinhalb Monaten kannte die Strafverfolgungsbehörde den Vermerk Daschners â und sie hatte bisher nichts unternommen. Jetzt musste ein Weg gefunden werden, den Medien ein Opfer zu liefern.
Am 27. Januar 2003 verfügte Staatsanwalt Koch die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Polizeivizepräsident Daschner und mich wegen des Verbrechens der Aussageerpressung nach § 343 StGB.
Die Sachbearbeitung wurde Staatsanwalt Wilhelm Möllers übertragen. Ich kannte zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal die Lügen in Gäfgens Aussage über meine angeblichen Drohungen.
Am 30. Januar 2003 wurde Gäfgen noch einmal verhört. Richterin Stilp sollte ihn zu seinen Vernehmungen vom 14. Oktober und 17. Oktober 2002 anhören.
Vor Beginn der eigentlichen Vernehmung wurde er wieder über sein Recht belehrt, dass er zur Sache aussagen oder schweigen dürfe, dass er das Recht habe, vor einer Einlassung zur Sache anwaltlichen Rat einzuholen und Beweiserhebungen zu verlangen. AnschlieÃend wurde eine Erklärung seines Verteidigers Endres protokolliert, in der betont wurde, die bedrohliche Situation, die anlässlich seiner ersten polizeilichen Vernehmung bestand, bestehe nicht mehr fort; dies gelte auch schon für die Vernehmungen vom 14. Oktober und 17. Oktober 2002, die Gegenstand der richterlichen Vernehmung sein sollten.
Gäfgen bestätigte diese Erklärung.
Die beiden staatsanwaltschaftlichen Vernehmungsprotokolle wurden dann verlesen, der Angeklagte brachte an einzelnen Stellen Berichtigungen oder Erläuterungen an.
Am Ende der Vernehmung wurde folgende Erklärung des Angeklagten protokolliert:
»Die bedrohliche Situation war am Morgen des 01.10.02. Bei meinen späteren Sitzungen wurde ich nicht mehr bedroht, und ich fühlte mich nicht mehr bedroht. Ich habe mich zur Tat geäuÃert, weil es mir ein Bedürfnis war. Auch heute fühle ich mich nicht bedroht â¦Â«
Im Tagesspiegel erschien am 18. Februar 2003 auf Seite 1 folgender Artikel:
»Mordfall Jakob: Die Ermittler wollten den Täter foltern
Frankfurts Polizeivizepräsident hielt Drohung mit Gewalt bei der Vernehmung schriftlich fest
Anwalt spricht von Verbrechen
Der mutmaÃliche Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler sollte von der Polizei gefoltert werden. Dem Tagesspiegel liegt ein interner Vermerk von Frankfurts Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner vor, laut dem der festgenommene, 27 Jahre alte Jurastudent G. âºnach vorheriger Androhung, unter ärztlicher Aufsicht, durch Zufügung von Schmerzen (keine Verletzungen) erneut zu befragen istâ¹. Die Staatsanwaltschaft leitete deshalb ein Ermittlungsverfahren gegen Daschner und mehrere Kripobeamte ein â nach Angaben von G.s Verteidiger Ulrich Endres wegen des Verdachts der âºAussageerpressungâ¹.«
Verzweifelt machte ich mich auf die Suche nach einem Anwalt. Die Zeitungen waren schon bei »Folterdrohungen« angekommen. Mit diesem Wort war aus einem Entführungs- und Mordfall, aus dem vergeblichen Versuch, das Leben Jakobs zu retten, ein Verfahren mit ungeheurer politischer Dimension geworden.
Einen Anwalt kannte ich sehr gut, er war mein Freund und hatte mich bei meiner Scheidung vertreten. Aber ihm und zwei weiteren Anwälten aus meinem Bekanntenkreis, die ich ansprach, war der Fall eine Nummer zu groÃ. SchlieÃlich rief ich Wolfgang Daschner an und sagte ihm, dass ich nicht
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