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Um Leben Und Tod

Um Leben Und Tod

Titel: Um Leben Und Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Hoehn , Ortwin Ennigkeit
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wüsste, wen ich als Anwalt nehmen sollte. Auf Empfehlung des Behördenleiters hatte Polizeivizepräsident Daschner am 24. Februar 2003 Rechtsanwalt Eckart C. Hild mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt.
    Er sprach mit seinem Anwalt darüber und dieser empfahl mir Prof. Dr. Lutz Simon, stellvertretender Vorsitzender der Anwaltskammer und Spezialist für Straf- und Steuerrecht.
    Ich machte einen Termin aus. Die Kanzlei befand sich im oberen Stockwerk eines älteren kleinen Hochhauses nahe der Innenstadt von Frankfurt.
    Ein Mitarbeiter öffnete mir, begleitete mich in ein geräumiges Zimmer mit einem langen Schreibtisch am Fenster und einem alten, dunklen Konferenztisch.
    Professor Dr. Simon, ein großer Mann Mitte fünfzig, bat mich, am Tisch Platz zu nehmen. Er setzte sich zu mir. Der Fall war ihm natürlich bekannt. Ich schilderte das, was wirklich vorgefallen war, meine zehn Minuten mit dem Kindsmörder Gäfgen und warum ich zu ihm gegangen war, unsere Verzweiflung, unsere Hoffnung, Jakob lebend zu finden. Die Lügengeschichten Gäfgens, die bis zur Verhaftung Unschuldiger geführt hatten. Und die Entscheidung, die Ankündigung unmittelbaren Zwanges, als Ultima Ratio.
    Professor Simon übernahm am 5. März 2003 meine Verteidigung. Die ersten wichtigen Fragen waren:
    Warum wurden derartige Vorwürfe erst Monate nach dem Verhör erhoben? Wer hat die Vorwürfe erhoben, wann, warum und wie? Warum wurde das Ermittlungsverfahren gegen Daschner und mich erst im Januar 2003 eingeleitet, obwohl der anwesende Staatsanwalt von der Ankündigung einer Zwangsanwendung schon seit dem 1. Oktober 2002, seit mehr als drei Monaten, wusste?
    Um sie beantworten zu können, beantragte der Anwalt Daschners, Rechtsanwalt Eckart C. Hild, unter Vorlage einer Vertretungsvollmacht Einsicht in die Ermittlungsakten. Mein Anwalt tat dies ein paar Tage später.
    Staatsanwalt Möllers teilte beiden Anwälten am 25. Februar und 17. März 2003 mit, dass er den Anträgen auf Akteneinsicht zurzeit nicht entsprechen könne und später unaufgefordert darauf zurückkommen werde. Zeitgleich nahm Staatsanwalt Möllers die Ermittlungen auf.
    Ich konnte es nicht fassen: Wir waren wegen Aussageerpressung, was völlig falsch war, angeklagt, die Anwälte durften die Akten nicht einsehen, wir wussten nicht, was vorgefallen war, wie es zu dieser Anklage hatte kommen können. Aber wir mussten ständig neue Vorwürfe der Medien über uns ergehen lassen, gegen die wir uns nicht wehren konnten, weil wir die Hintergründe nicht kannten.
    In einem offenen Brief meldete sich am 24. Februar 2003 die Vorsitzende des Vereins Deutsche Strafverteidiger e.V., Rechtsanwältin Dr. Regina Michalke aus Frankfurt, zu Wort: Daschners Entscheidung habe geltendes Recht und »elementare Prinzipien des Rechtsstaates verletzt«. Es könne dahinstehen, ob sich polizeirechtlich oder auch unter dem Aspekt des Notstandes etwas anderes in den Fällen vertreten ließe, in denen der Beamte über sicheres Wissen im Hinblick auf eine Lebensgefahr der Geisel und die Rettungschancen verfüge. »Ein solcher Fall lag hier nicht vor. Herr Daschner konnte allenfalls hoffen, dass Jakob von Metzler noch lebte. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies nicht so sei, war offenbar ebenso groß wie die Berechtigung dieser Hoffnung. Unter diesen Umständen war die Androhung von Schmerzen gleichbedeutend mit der Abnötigung einer Aussage, die – wenn der Tatverdächtige den ihm angedrohten Qualen entgehen wollte und das Kind nicht mehr lebte – nur ein Mordgeständnis sein konnte.«
    Das Leben eines entführten Kindes nur ein Rechenspiel? Welche Menschenverachtung! Soll ein Arzt die Behandlung einstellen, wenn die Heilungs- oder Überlebenschance eines Patienten weniger als 50 Prozent beträgt? Sollen die Opfer von Lawinenabgängen oder Erdbeben ihrem Schicksal überlassen werden, wenn kein »sicheres Wissen« gewährleistet, dass sie noch leben und bei sofortiger Rettung auch überleben würden?
    Später erfuhr ich dann, dass der Bruder dieser Juristin einer der Richter und gleichzeitig Berichterstatter der 27. Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt war. Von dieser Kammer wurden wir verurteilt.
    Nachdem das Wort »Folter« das erste Mal gefallen war, gab es kein Halten mehr, es wurde – ohne es zu hinterfragen – benutzt. Der populistische und

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