Umwege zum Glück
wunderbarer brauner Fleischbällchen gegenübersieht.
„Haben Sie schon immer so gern gekocht, Frau von Waldenburg?“ fragte ich.
„Eigentlich ja, aber es war früher sozusagen nur mein Steckenpferd. Erst vor anderthalb Jahren ging es im Ernst los. Bis dahin hatte ich meine reizende Haustochter, dann hat das Ungeheuer geheiratet und ließ mich allein, so eine Unverschämtheit! Dann habe ich eine Zeitlang für Bicky und mich allein gewirtschaftet…“
„Wobei du selbst die Reste des Hundefutters gegessen hast“, warf Frau Neuberger ein.
„Wie üppig!“ lachte Jessica. „Das Hundefutter ist in diesem Haus immer das Beste im ganzen Kühlschrank!“
„Klar, wenn ich die Schweineherzen für Bicky vom Schlachter bekam, habe ich immer eins für mich selbst zurückbehalten. Herz in Sahnesoße ist doch phantastisch gut! Ja, und dann kam Isa, und dann machte das Kochen erst richtig Spaß, und am allerschönsten ist es donnerstags. Hungrige Studentinnen zu füttern ist doch eine Wonne! Reni, nehmen Sie doch noch ein Fleischbällchen, das kriegen Sie nicht jeden Tag! Ich habe das Rezept von Senta, meiner eben erwähnten norwegischen Haustochter.“
„Oh, ist sie Norwegerin? Dann verstehe ich – die Norweger scheinen Spezialisten für Gehacktes und Gemahlenes zu sein. Meine Schwester hat nämlich einen Norweger geheiratet…“
„Ach, haben Sie auch Beziehungen zu Norwegen? Ja, Senta konnte unwahrscheinlich gut kochen. Sie wird im Frühjahr ihre Abschlußprüfung als Diätköchin hier in Kiel machen, ungefähr gleichzeitig wird ihr Mann das Staatsexamen machen, er wird Zahnarzt. Leider wohnen sie genau am entgegengesetzten Ende der Stadt, ich sehe Senta viel zu selten, aber hoffentlich schaffen wir es, sie an einem Donnerstag zu überreden, herzukommen!“
„Und ich lernte Tante Christiane durch Senta kennen, oder vielmehr durch ihre Zwillingsschwester Sonja“, erzählte Anke. „Übrigens, Tante Christiane, ich habe eben einen Brief von Sonja, sie hat ein verwaistes Gepardenkind adoptiert und erzählt von 42 Grad Hitze.“
„Sag mal, sitzt sie dann genau auf der Äquatorlinie mit ihrem Gepard?“ fragte ich.
„Ja, es fehlt nicht viel. Sie sitzt irgendwo im nördlichen Kenya, ihr Mann arbeitet dort für ein englisches wissenschaftliches Institut. Ich freue mich so schrecklich für Sonja, sie verdient es, daß ihr größter Wunsch in Erfüllung ging!“
„War das Gepardenkind ihr größter Wunsch?“ fragte ich.
„Nein, Afrika war ihr größter Wunsch! All ihre Träume zogen nach Süden! Als wir uns kennenlernten vor bald zwei Jahren, übrigens hier bei Tante Christiane, war sie ganz aus dem Häuschen vor Glück“, erzählte Anke. „Sie hatte grade mit Senta zusammen eine Ostafrikareise in der Fernsehlotterie gewonnen, und auf der Reise lernte sie dann ihren Mann kennen. Er ist Zoologe, und jetzt sitzen sie also ziemlich dicht beim Äquator und forschen, das heißt, erforscht, zusammen mit zwei anderen Wissenschaftlern, und Sonja und die beiden anderen jungen Ehefrauen betätigen sich als Sekretärinnen und Köchinnen.“
„Man könnte beinahe neidisch werden!“ sagte ich. „Das müßte phantastisch sein. Ich möchte ja auch so wahnsinnig gern nach Afrika!“
„Sie müssen eben feste studieren“, meinte Frau von Waldenburg. „Ich habe mir sagen lassen, daß Afrika dringend Ärzte braucht! Jessica, nimm doch, die Schüssel steht vor dir – was, schon satt? Und ich wollte grade sagen, daß ihr ein Loch für den Nachtisch lassen müßt!“
„Das wissen wir doch, Christiane“, lächelte Frau Neuberger. „Deinen verflixten Nachtischen habe ich es zu verdanken, daß ich bald durch die Gegend kugeln werde.“
„Natürlich, schieb es nur mir in die Schuhe, weil du nicht genügend Selbstbeherrschung hast!“ schmunzelte Frau von Waldenburg. „Ich muß jetzt um eine Pause von fünf Minuten bitten, soviel Zeit brauche ich, um den Nachtisch servierfertig zu machen. Ach, Mädchen, seid lieb und stellt die gebrauchten Sachen in die Durchreiche. Meine Anwesenheit ist anderswo dringend notwendig!“
Wieder brummte die Küchenmaschine, Geschirr klapperte, es wurde mit Löffeln gekratzt. Inzwischen ertönte ein „Verflixt noch mal“ und „Nein, so was“ –, dann klappte die Backofentür zu, und es wurde still.
„Störe sie bloß nicht“, sagte Frau Neuberger, als Anke etwas in die Küche tragen wollte.
„Sie ist jetzt bei einer heiligen Handlung!“
Die heilige Handlung wurde mit dem
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