Das Inferno
PROLOG
Es begann alles am Flughafen Heathrow, wo Bob Newman einen Gast aus Amerika abholte. Nachdem Newman mit seinem SIS-Ausweis problemlos durch alle Sicherheitskontrollen gekommen war, sah er sich in der Gepäckausgabe noch einmal das Foto an, das sie aus Washington erhalten hatten. Auf der Rückseite stand die Beschreibung des Mannes.
Einen Meter fünfundachtzig groß, sechsundachtzig Kilo schwer, glatt rasiert, fünfunddreißig Jahre alt.
Es dauerte nicht lange, bis Newman besagten Mark Wendover unter den auf ihr Gepäck wartenden Passagieren erkannt hatte. Er trat von hinten an ihn heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Willkommen in England, Mr. Wendover…«
Newman hatte alles erwartet, nur nicht Wendovers Reaktion.
Der athletisch gebaute Amerikaner wirbelte herum und hob die rechte Hand wie zu einem Karateschlag.
»Ich bin Bob Newman«, beeilte sich Newman zu sagen. »Wir haben Ihnen doch geschrieben, dass ich Sie abholen komme.«
»Ach, natürlich. Danke, dass Sie gekommen sind, Bob. Ich darf Sie doch Bob nennen, oder?«
»Natürlich, Mr. Wendover.«
»Sagen Sie Mark zu mir. Tut mir Leid, wenn ich Sie erschreckt habe, aber ich habe seit zwanzig Stunden nicht geschlafen.«
»Sie sollten lieber auf das Gepäckband achten«, sagte Newman.
»Stimmt. Ah, da kommt ja auch schon mein Koffer…«
Erst als sie in Newmans Wagen auf dem Weg in die Innenstadt waren, stellte Newman die Frage, die ihn schon die ganze Zeit beschäftigte: »Wir sind uns über Ihre Stellung nicht ganz im Klaren, Mark. Wir haben zwar mit Cord Dillon, dem stellvertretenden Direktor der CIA, über Sie gesprochen, aber der war mal wieder so beschäftigt, dass er uns keine richtige Antwort gegeben hat.«
»Kein Wunder«, sagte Wendover. »Es ist ja auch ziemlich kompliziert. Ich habe nämlich nach fünf Jahren bei der CIA meinen Abschied genommen. Die Arbeit dort hat mir zwar gefallen, aber der damit verbundene Papierkrieg war einfach zu viel für mich. Aber ich habe auch Einsätze im Außendienst gehabt«, fügte Wendover mit einem Seitenblick auf Newman rasch hinzu. »Einmal, in Denver, habe ich sogar einen Saboteur erschossen. Aber dann habe ich die Firma – wie wir Insider die CIA nennen – verlassen und mein eigenes Detektivbüro aufgemacht. Inzwischen beschäftige ich zwanzig Mitarbeiter und bekomme jede Menge gute Aufträge rein.« Er hielt inne und sah Newman mit einem kalten Lächeln an. »Aber deshalb bin ich nicht hier.«
»Ich weiß. Sie wollen uns vertrauliche Informationen über den Selbstmord von Jason Schulz überbringen, dem persönlichen Berater des amerikanischen Außenministers.«
»Stimmt«, sagte Wendover. »Nur dass es kein Selbstmord war, sondern kaltblütiger Mord, den man ziemlich stümperhaft als Selbstmord getarnt hat.«
Warum werde ich bloß mit diesem Kerl nicht warm?, fragte sich Newman. Und wieso ist er so nervös? Als sie kurze Zeit später im Stau standen, musterte Newman seinen Beifahrer genauer.
Wendover hatte hellblondes, sehr kurz geschnittenes Haar und ein hübsches Gesicht, das bei Frauen bestimmt gut ankam. Dass seine lange Nase schon einmal gebrochen war, tat diesem Eindruck keinen Abbruch. Wendover hatte einen breiten, entschlossen aussehenden Mund und ein etwas vorgeschobenes Kinn, das Stärke signalisierte, ohne aggressiv zu wirken.
»Wenn es wirklich so stümperhafte Arbeit war, wieso spricht man dann nicht offiziell von einem Mord?«
»Genau das macht die Sache ja so mysteriös. Hinzu kommt, dass das FBI von dem Fall abgezogen wurde, was seinem Chef überhaupt nicht gefallen hat. Schließlich war Schulz einer der wichtigsten Männer im Außenministerium. Angeblich soll er sich in einem Washingtoner Park an einem Baumstamm lehnend eine Kugel in den Kopf gejagt haben.«
»Und was soll daran nicht stimmen?«, fragte Newman, während sich der Stau auflöste und er weiterfahren konnte.
»Theoretisch wäre es doch möglich, oder?«
»Erstens schwört Mrs. Schulz Stein und Bein, dass ihr Mann keine Pistole besessen hat, und wir glauben ihr das auch. Bei der Tatwaffe, einer Smith & Wessen, ist übrigens die Seriennummer weggefeilt worden, sodass ihre Herkunft nicht nachverfolgt werden kann. Zweitens war die Art, wie der tote Schulz die Pistole in der Hand gehalten hat, ziemlich merkwürdig. Sah ganz so aus, als hätte man sie ihm erst nach seinem Tod zwischen die Finger gesteckt. Und drittens wurde Schulz’ Wagen nicht im Park gefunden, sondern auf seinem normalen
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