Umwege zum Glück
Trost, der einzige Lichtpunkt war, als Peter starb.“
„Wie alt war dein Söhnchen damals?“ fragte ich.
„Vierzehn Tage. Meine Schwiegermutter sagte damals, daß der liebe Gott ihnen einen neuen Peter geschenkt hatte – nun ja, wißt ihr, ich lasse sie den Kleinen verwöhnen und verhätscheln noch ein Jahr, wenn ich auch weiß, daß ich nachher die furchtbare Aufgabe haben werde, alles gradezubiegen.“
„Übrigens, Anke, ich fahre am Sonntag nach Hamburg. Ich möchte so gern zu einer Kunstausstellung. Du kannst abends mit mir zurückfahren, wenn du willst.“
„Wunderbar, Tante Isa. Aber werdet ihr denn nicht alle beide fahren?“
„Da kennst du Tante Christiane schlecht! Ich versuche gar nicht mehr, sie zu solchen Ausflügen zu überreden.“
„Denkst du, ich verlasse mein Raubtier einen ganzen Tag?“ Frau von Waldenburg setzte sich besser zurecht, so daß Bicky ihr auf den Schoß springen konnte. „Außerdem bin ich ziemlich ungebildet, wenn es sich um Gemälde handelt. Ich bleibe zu Haus, schreibe ein paar Briefe, backe einen Kuchen, gehe mit Bicky spazieren, und wenn mir noch Zeit übrig bleibt, höre ich ein paar schöne Platten.“
„Was Musik betrifft, ist Tante Christiane nämlich nicht ungebildet“, erklärte Jessica.
Nachher kam unser Gespräch auf Kai und Madeleine, und ich erzählte die ganze romantische Geschichte, wie die beiden sich über die liebe Inge kennengelernt hatten. Die Zeit verging, Frau von Waldenburg brachte Obstsalat mit Schlagsahne „statt Rausschmeißerkaffee“, wie sie sagte, und ein urgemütlicher Abend war zu Ende.
„Weißt du, worauf ich mich freue?“ sagte ich, als wir wieder im Wagen saßen. „Ich freue mich darauf, Mutti und Vati von den Donnerstagstanten zu erzählen.“
„Wenn du wüßtest, wie meine Mutter sich darüber freut, daß ich diesen festen Punkt in Kiel habe“, sagte Anke.
„Ist deine Mutter allein?“ fragte ich.
„Ja. Mein Vater starb, als ich noch klein war, und ich habe keine Geschwister. Mutti ist leider sehr allein. Aber zu Weihnachten kommt sie nach Hamburg! Meine Schwiegereltern haben sie eingeladen und ihr sogar die Fahrkarte geschenkt!“
„Wie schön, daß du dich mit deinen Schwiegereltern so gut verstehst, Anke!“ sagte ich.
Sie schwieg ein Weilchen. Dann sagte sie:
„Wir werden uns öfter treffen, Reni – darüber freue ich mich nebenbei gesagt sehr. Da ist es besser, daß du ein bißchen mehr über mich erfährst. Jessica, du weißt Bescheid, du darfst Reni die ganze Geschichte erzählen. So, nun sind wir gleich da. Ach, Reni, du brauchst doch nicht bis ans Haus zu fahren! Na, dann tausend Dank und auf Wiedersehen nächsten Donnerstag.“
„Anke ist sehr allein“, sagte Jessica, als wir beide weiterfuhren. „Sie hat ein Studiendarlehen und kann sich keine großen Sprünge leisten. Es ist schwer genug für sie, das Geld für die wöchentlichen Hamburgreisen aufzubringen.“
„Ach, weißt du, dann fahre ich sie am Sonnabend hin! Zurück fährt sie ja mit Frau Neuberger.“
„Großartig! Ich gehe morgen bei ihr vorbei und sage es ihr. Sie kommt sehr selten zu mir.“
„Von wegen deiner Schäferstündchen, ja, ich verstehe! Was solltest du mir übrigens über sie erzählen?“
„Eine lange und traurige Geschichte. Wie spät haben wir es? Menschenskind, gleich elf – na ja, ich werde versuchen, es kurz zu machen. Also, Anke wurde von einem Kommilitonen namens Peter verführt. Sie war jung und unerfahren und vollkommen ahnungslos. Als ihr klar wurde, daß sie schwanger war, und sie es Peter erzählte, war er – nun ja, ich kann leider kein anderes Wort gebrauchen –, er war gemein zu ihr, zu guter Letzt schmiß er sie einfach raus. Dann wollte es das Glück, daß sie mit den Zwillingen Sonja und Senta bekannt wurde. Sentas Mann, also damals Verlobter, studiert ja auch Zahnmedizin hier in Kiel. Durch die beiden lernte sie Tante Christiane kennen, und die mobilisierte ihren Anwalt, der Anke dann dazu verhalf, etwas Geld von dem feinen Peter zu kriegen.“
„Aber Peter hat sie ja doch geheiratet?“
„Ja. Peter erlitt einen furchtbaren Autounfall und wurde ganz gelähmt. Er wußte selbst, wie es um ihn stand. Da ließ er Anke telegrafisch benachrichtigen. Sie kam, und sie wurden an seinem Krankenbett getraut. Peter wollte wohl, daß seine Eltern dieses Enkelkind als Trost haben sollten, und es sollte ehelich geboren werden. Nun ja, das Kind kam, und Anke wußte, daß sie vielleicht jahrelang an einen
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