Umzug ins Glück
die nächste Dreiviertelstunde an etwas anderes zu denken.
Klaus und Romy hatten es so eilig gehabt, dass ich sie schon mit Jan Hörnum zusammen im Wohnzimmer antraf, nachdem ich Frau
Mertens bezahlt und verabschiedet hatte. Klaus hatte bereits den Wein geöffnet und in meine guten Kristallgläser verteilt.
Im Fernsehen lief ›Amrum Ahoi‹, sodass ich mich nur leise auf einen meiner Sessel setzen durfte, während der Shantychor Greetsiel
ein markiges Medley von Seemannsliedern zum Besten gab. Klaus reichte mir großmütig ein Glas rüber.
Nachdem Amrum mit dem Abspann im Nebel verschwunden war und Jan Hörnum für Romy in Ermangelung einer Autogrammkarte ihr vorsorglich
mitgebrachtes Gästebuch signiert hatte (das ich noch nie gesehen hatte und in dem bislang nur zwei Einträge aus dem Jahr 1995
standen), brachte ich das Gespräch auf das eigentliche Anliegen.
»Klaus und Romy haben eine Apotheke«, erklärte ich.
»Wir können Ihnen bestimmt helfen«, setzte Klaus hinzu.
Jan Hörnum zog die Stirn in Falten. »Helfen?«
»Wegen Ihrer Medikamente«, sagte ich. »In Ihrem Auto. An die Sie nicht drankommen.«
»Ach die«, sagte er mit einem Kopfschütteln. »Das ist nicht so wichtig.«
»Oh, das sollten Sie nicht sagen«, meinte Romy besorgt.»Die meisten Komplikationen entstehen deshalb, weil die Patienten ihre Mittel nicht regelmäßig und wie verordnet einnehmen.
Zum Beispiel bei Antibiotika.«
»Nein, Antibiotika sind es nicht«, sagte Jan Hörnum vage.
Aber Apotheker sind nun mal Menschen, die es genau nehmen. »Nun sagen Sie schon, was für Medikamente Sie in Ihrem Wagen hatten«,
drängte Klaus.
Jan Hörnum rutschte ein wenig auf dem Sofa herum und schaute in keine spezielle Richtung. »Och … zum Beispiel Paracetamol.«
Klaus und Romy sahen sich an. Ich sprang dagegen beinahe an die Decke. »Paracetamol? Sie wollen sagen, dass Sie dieses ganze
Drama wegen ein paar Kopfschmerztabletten inszeniert haben?«
Jetzt schaute er entrüstet. »Ich hab kein Drama inszeniert! Ich hab nur gesagt, dass ich Medikamente im Auto hab, und das
war nicht gelogen.«
»Aber Sie haben so getan, als ob …« Ich schnappte empört nach Luft. »Als ob Sie die dringend brauchen!«
»Hab ich nicht!«, protestierte er. »Wenn Sie das gleich glauben, dann ist das Ihr Problem.«
Ich knirschte wütend mit den Zähnen. Das Schlimmste war, dass er irgendwie recht hatte. Ich hatte in das eine Wort eine ganze
Geschichte hineininterpretiert, weil ich mal auf dem Flughafen mitbekommen hatte, wie jemand wegen stundenlanger Verspätung
einen Zuckerschock erlitten hatte. Das war in der Tat mein Problem. Und der Problemverursacher saß mit selbstgerechter Miene
auf dem Sofa, flankiert von Klaus und Romy, die sich noch nicht so ganz im Klaren darüber waren, wie sie sich jetzt verhalten
sollten.
»Sollen wir denn rasch in die Apotheke fahren und ein paar Tabletten holen?«, fragte Romy. Schließlich tat manja alles für einen Star, der einem gerade das Gästebuch signiert hatte. Das war eine Story, die bestimmt nicht jeder im Golfclub
aufweisen konnte.
»Das fehlte noch«, drohte ich. »Eine Kopfschmerztablette habe ich zur Not auch noch.«
»Aber du nimmst doch immer Ibuprofen«, wandte Romy ein.
»Die helfen auch gegen Kopfschmerzen. Sofern man überhaupt welche hat.«
Jan Hörnum sah aus wie ein Friedensapostel, als er erklärte, er hätte keine Kopfschmerzen, er brauchte keine Tabletten, aber
er hätte ziemlichen Hunger, ob jemand etwas dagegen hätte, wenn wir Pizza bestellen würden?
»Die Pizza vom Pizzataxi ist scheußlich«, erklärte Klaus, und so landeten wir um kurz nach neun noch im Waldstübchen, wo niemand
Jan Hörnum erkannte. Wider besseres Wissen bestellte ich mir eins der Schnitzelgerichte, für die das Waldstübchen bekannt
ist.
Natürlich war mir klar, dass ich so ein köstliches Schnitzel nicht zur Hälfte zurückgehen lassen würde, und als ich schließlich
Romy und Klaus nach Hause geschickt, Jan Hörnum ins Gästezimmer komplimentiert und mich selbst ins Bett gelegt hatte, konnte
ich nicht einschlafen. Ich hatte zu viel gegessen und mich zu viel geärgert. Ich machte mir Sorgen um meine immer üppiger
werdende Figur, um Tante Paula, mein kaputtes Auto, darüber, wie ich morgen meinen Übernachtungsgast pünktlich am Parkplatz
des Abschleppunternehmens abliefern konnte, und weil ich gerade so im Fluss mit Sorgen machen war, auch noch über Magnus’
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